Das Dunkle Netz Der Rache
arretierte den Tempomat und drückte den Finger auf die Sendersuchlauftaste, bis sie lebhafte Countrymusik fand, die sie liebte. »Just before dark, jump in the car …«, sang sie und wünschte sich, sie besäße ein Cabrio, damit sie ihre Haare im Wind wehen lassen konnte. Aber noch wurden keine Cabrios mit Hybridantrieb angeboten.
Vor der Skisaison und nach dem Indianersommer war der Verkehr auf dem Northway am Samstagmorgen nur dünn. Dieses Jahr hatte sie die Verfärbung des Herbstlaubs komplett verpasst, eingesperrt in einem Büro der Adirondacks Conservancy Cooperation in Albany, wo sie Bewilligungen schrieb und die Deine Adirondacks … und Du! -Broschüre redigierte und kopierte. Das hatte sie sich anders vorgestellt, als sie damals bei der Conservancy angefangen hatte. Nicht auf längere Sicht. Sie hatte sich selbst im Mittelpunkt des Geschehens gesehen, das grüne Banner erhoben, wie sie Land für zukünftige Generationen rettete. Jetzt, dank der Global Wood Products Inc., würde sie ihre Chance bekommen.
Becky war diejenige gewesen, die alles eingefädelt hatte. Sie war diejenige mit persönlichem Kontakt zu den Haudenosaunee-Erben. Sie war diejenige, die die Idee ihren Vorgesetzten bei der Adirondack Conservancy Cooperation vorgestellt hatte. Sie war diejenige, die eine Liste möglicher Käufer zusammengestellt, die Steuervorteile ermittelt, sich mit den Managern der GWP getroffen hatte. Sie war diejenige gewesen, die gestritten, geschmeichelt, geschleimt und überredet hatte.
Und heute Abend würde sie mit dem Präsidenten und dem Anwalt der Conservancy bei einer Zeremonie am Haupttisch sitzen, bei der zweihundertfünfzigtausend Morgen Land aus Privatbesitz in den »Auf ewig Urwald«-Zustand überführt wurden, der in der Verfassung New Yorks gefordert wurde.
Sie grinste, während das »Glens Falls – Queensbury«-Schild hinter ihr verschwand. Echt wahr, sie war offiziell eine heiße Nummer. Plötzlich konnte sie es kaum noch abwarten, mit Millie zu sprechen. Sie angelte ihr Handy aus ihrer Tasche und drückte die Kurzwahltaste für ihre Freundin. Das Telefon klingelte ein, zwei, drei Mal, dann sprang Millies Voicemail an und bat sie, eine Nachricht zu hinterlassen.
»He, Liebste. Was machst du, hast du verschlafen? Ich bin im Auto auf dem Weg nach Millers Kill, ruf mich an, wenn du das hörst. Alles Liebe!«
Als sie mit dem Daumen die Unterbrechertaste drückte, wurde ihr bewusst, dass sie Millie hätte erzählen sollen, dass sie heute Morgen nach Haudenosaunee kam. Vielleicht konnte sie sie über den Anschluss des Camps erreichen? Becky kramte in ihrer Tasche, zog eine Flasche Wasser, einen Fotoapparat, eine Tüte mit joghurtüberzogenen Rosinen heraus. Endlich fand sie ihr Adressbuch, schlug es auf und legte es auf ihr Knie. Sie gab die Nummer ein und drückte auf die Taste.
Das Telefon klingelte nur ein Mal. »Hallo?«
Becky zwinkerte, als sie die unbekannte Frauenstimme hörte. »Hi. Ich würde gern Millie van der Hoeven sprechen.«
»Ich fürchte, sie ist nicht da.« Der Stimme am anderen Ende schien die Luft auszugehen.
»Bin ich dort richtig in Haudenosaunee?«
»Entschuldigung, ich meinte, ja, sind Sie. Das hätte ich gleich sagen sollen. Ich bin Lisa. Ich bin Mr. van der Hoevens … ich putze das Haus für ihn.«
»Ach so. Kann ich eine Nachricht für Millie hinterlassen?«
Langes Schweigen folgte. Becky fragte sich, ob Millies Bruder Eugene eine geistig minderbegabte Frau eingestellt hatte.
»Hören Sie, als ich sagte, sie sei nicht hier, meinte ich nicht, dass sie zum Einkaufen gefahren ist oder so«, erklärte Lisa. »Ich meine, sie ist verschwunden. Vermutlich ist sie gestern Abend zu einem Spaziergang aufgebrochen und kam nicht zurück. Jetzt, in diesem Augenblick, ist eine Rettungsmannschaft auf der Suche nach ihr.«
Der Northway erstreckte sich vor ihr, lang und grau zog er über Hügel und durch Täler. »Verschwunden?«
»Sind Sie eine Freundin von ihr?«
»Ja. Ich bin …« Was war sie? Gab es spezielle Kategorien von Freunden, die Informationen erhielten? Und andere, die warten mussten, bis sie in der Zeitung lesen konnten, was ihr zugestoßen war? Becky entschied sich für die einfachste, am weitesten tragende Variante. »Wir haben uns auf dem College ein Zimmer geteilt.«
»Wenn Sie mir Ihre Nummer geben, werde ich dafür sorgen, dass man Sie anruft, sobald wir etwas wissen.«
Becky schüttelte den Kopf. »Ich werde später am Vormittag in Haudenosaunee
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