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Das Dunkle Netz Der Rache

Das Dunkle Netz Der Rache

Titel: Das Dunkle Netz Der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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noch ein Stück Butter, wenn sie energisch genug herumkramte. Sie stand vornübergebeugt und untersuchte die Fächer, als sie hörte, wie die Tür sich öffnete und schloss. Wer immer es war, blieb einfach stehen. Sagte nichts.
    Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie mit herausgestrecktem Hinterteil wie ein Primat in einem National Geographic- Special wirken musste. Sie zog den Kopf aus dem Kühlschrank und fuhr herum.
    Russ hob den Blick, um ihr in die Augen zu blicken. »Hi.«
    »Hi.« Sie wies auf den Kühlschrank, der hinter ihr vor sich hin summte. »Ich habe nach Marmelade gesucht.«
    Er grinste plötzlich, was ihn zehn Jahre jünger aussehen ließ. »Lass dich von mir nicht aufhalten.«
    »Hey.« Sie neigte den Kopf zur Seite. »Warum bist du eigentlich gekommen?«
    Er trat auf sie zu, und sie hätte schwören können, dass sie spürte, wie die Luft vor ihm zurückwich. Er blieb stehen, ehe er ihr zu nahe kam. Darin war er gut. Beide waren sie gut darin. »Ich dachte, du könntest vielleicht Hilfe brauchen.«
    Sie wischte sich die Hände an der Hose ab. »Ich dachte, das wäre mein Text.« Sie wies auf die Speisekammer. »Guck mal dort nach, ja?«
    Er nickte, schlenderte zur Speisekammer und schaltete das Licht ein. »Und, wie findest du Haudenosaunee? Ich wette, du bist ganz verliebt in diese Küche.«
    Kochen war eine ihrer Leidenschaften. Selbstverständlich wusste er das. »Klassen besser als meine, so viel steht fest.« Ihre war während der Herrschaft des letzten Pastors von St. Alban’s eingebaut worden, eines ältlichen Junggesellen, der, wie Clare argwöhnte, von Fertiggerichten und Auflaufspenden der weiblichen Gemeindemitglieder gelebt hatte. »Aber ein bisschen enttäuscht bin ich doch. Von so einer großen Ferienanlage hatte ich mir mehr erwartet. Du weißt schon, irgend so eine viktorianische Ausschweifung im Adirondackstil.«
    »Der Stil, den du meinst, heißt haut rustique«, erwiderte Russ, der mit einem Glas Brombeermarmelade aus der Speisekammer auftauchte. »Das alte Haudenosaunee bestand fast ausschließlich aus viktorianischen Ausschweifungen. Unglücklicherweise stellte es sich als Feuerfalle heraus.«
    Sie lehnte sich über die Granitplatte der Kücheninsel. »Woher weißt du das?«
    »Jeder in Millers Kill kennt zumindest die Grundzüge der Geschichte. Die van der Hoevens stammen aus dem Süden des Staates. Im Bürgerkrieg haben sie sich gesundgestoßen, und ihr Familienoberhaupt jagte gern. Aber er hatte es gern bequem dabei. Also schleifte er Frau, Kinder, Dienerschaft und Hund hier herauf – in der damaligen Zeit ging das nur im Privatwaggon, mit Booten und Karren –, stellte ein Dutzend Zelte auf und beaufsichtigte den Bau des alten Haudenosaunee.« Russ stellte die Marmelade auf der Arbeitsfläche ab und setzte sich auf einen Hocker. »Am Anfang war es ein großes, schlichtes Holzhaus im Stil der hiesigen Jagdhütten, die überall in den Bergen entstanden.«
    »So ähnlich wie dieses Haus«, meinte Clare.
    »In gewisser Weise. Zwanzig Jahre später wurde es von van der Hoeven im großartigen Stil der Adirondacks renoviert, um seiner jungen Frau eine Freude zu machen. Die Historische Gesellschaft besitzt Bilder davon – ich schätze, am besten beschreibt man es mit Schweizer Chalet trifft Neogotik.«
    »Hat es geklappt?«
    »Hat was geklappt?«
    »Hat sich seine Frau gefreut?«
    »Wahnsinnig beeindruckt kann sie nicht gewesen sein. Sie machte sich mit dem gemeinsamen Sohn nach Europa davon und blieb die nächsten Jahrzehnte dort.«
    »Oh, wie schade.«
    »Na ja, der Sohn kehrte kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs zurück.«
    »Guter Zeitpunkt.«
    »Er war … lass mal überlegen … Eugenes Urgroßvater. Sein Name fällt mir gerade nicht ein.«
    »Du kennst dich gut in der lokalen Geschichte aus.«
    Er lächelte schüchtern wie ein erfreuter Schuljunge. »In der Schule habe ich einen Aufsatz darüber geschrieben. Ich mochte alte Häuser schon damals.« Russ hatte sein altes, neoklassizistisches Farmhaus aufwendig renoviert. Das Haus, in dem er mit seiner Frau lebt, ermahnte sie sich.
    »Dieser van der Hoeven war überzeugt, dass dem Haus die Eleganz der Alten Welt fehlte, deshalb fügte er in dem Versuch, ein Schweizer Chalet in eine Burg zu verwandeln, Erker und Türmchen und Zinnen hinzu. Selbst zu seiner Zeit, als reiche Leute Klohäuschen in Gestalt von Versailles und Kutschenhäuser bauten, die aussahen wie der Tower von London, galt es als riesige, ungeheure

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