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Das Dunkle Netz Der Rache

Das Dunkle Netz Der Rache

Titel: Das Dunkle Netz Der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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antreten? Die Schießscharten waren relativ niedrig; im Stehen konnte sie die Sonne, die kahlen Bäume und den Himmel sehen. Die weite Öffnung nach innen, um das Licht auszunutzen, verengte sich nach außen zu einem schmalen Schlitz, um Eindringlinge abzuschrecken – oder entschlossene Kinder daran zu hindern, sich beim »König Arthur und die Ritter der Tafelrunde«-Spiel umzubringen. Und selbst wenn sie sich durch die Scharte zwängen konnte, wo würde sie landen? Der Blick hinaus zeigte ihr Baumwipfel. Und aus schmerzlicher Erfahrung wusste sie, dass es keine bequeme Feuertreppe gab.
    Sie wandte sich von der geschwungenen Mauer mit den trügerisch offenen Fenstern ab und betrachtete die Tür. Sie hatte ein Buch gelesen, in dem sich jemand aus einem verschlossenen Raum befreite, indem er die Schrauben der Türangeln entfernte. Diese Angeln waren große, pseudomittelalterliche Dinger, die sich über ein Viertel der Türfläche erstreckten. Die Schrauben, die sie an Ort und Stelle hielten, wurden von spitzen Eisenblumen gekrönt, die sie weniger ans Mittelalter als an die Spitze eines Flaggenmasts erinnerten. Sie schlurfte auf die Eichenbohlen zu, drehte sich um und ließ sich hinuntergleiten, bis ihre Hände den dreieckigen Kopf einer Schraube berührten. Sie zog daran. Nichts. Sie drehte. Bewegung. Sie drehte andersherum, zog und zerrte, ihre Schenkel angespannt in der anstrengenden Kauerhaltung. Die Schraube kam heraus. Sie fühlte sich wie Galileo – e pur se muove! Sie bewegt sich doch! Aufgeregt versuchte sie mit aller Kraft zu drehen. Die Schraube glitt einen weiteren Zoll heraus und verkantete sich. Unter ihrem Paketbandknebel stöhnte sie frustriert, unterdrückte dann den Laut. Sie würde sich nicht entmutigen lassen. Sie würde … schlau sein.
    Wieder nahm sie die Schraube in Angriff, zog und zerrte und kratzte sie heraus, Stück um quietschendes Stück, ihre Arme zitterten, unter ihrem Flanellhemd strömte der Schweiß. Immer weiter ragte der schmale Metallstift aus der Angel, bis sie spürte, wie er sich lockerte, und mit einer letzten Drehung und einem Ruck hielt sie ihn in der Hand. Sie beugte sich vor und streckte sich, während ihre Oberschenkelmuskeln ausgiebig protestierten. Leicht schwankend stand sie aufrecht und wartete, dass ihr Herzschlag, dessen lautes Pochen sie zuvor nicht wahrgenommen hatte, sich beruhigte, ihre zitternden Beine zur Ruhe kamen, ihre Schultern sich entspannten. Die Schraube lag schwer und kalt zwischen ihren Fingern. Sie ließ sie fallen. Sie klirrte laut über den Steinboden, bis sie neben ihrem Stiefel liegenblieb.
    »Nummer eins ist erledigt, die nächste bitte«, sagte sie, doch in diesem Moment begriff sie. Sie wirbelte herum, erlangte stolpernd ihr Gleichgewicht zurück und starrte auf die Tür. Starrte auf die obere Angel, die höchste Angel, die verschnörkelte, eiserne, handgeschmiedete Angel, deren Schraube sich auf einer Höhe mit ihrem Kopf befand. Ihre hinter dem Rücken gefesselten Hände zuckten. Was sie anging, hätte die Schraube genauso gut in der Decke stecken können.
    Die Enttäuschung, die Ungerechtigkeit des Ganzen, trieb ihr Tränen des Zorns in die Augen, die ihre Wangen hinunterrannen und ihre Haut erhitzten. Ein Klagelaut entrang sich ihrer Kehle, ein ersticktes, unbeschreibliches Geräusch, das sie noch zorniger machte – sie konnte nicht einmal kreischen und heulen, verdammt!
    Wütend stampfte sie mit dem gefesselten Fuß auf. Das Paketband riss an ihrem Knöchel, und die Schraube rollte über den Boden, mit dem alten, hohlen Scheppern von Eisen auf hölzernen Bohlen. Sie blinzelte. Zog heftig die Nase hoch. Hörte auf zu weinen. Musterte die Schraube, sechs oder sieben Zoll lang, schmal genug, um sie im Ärmel zu verbergen. Aber schwer. Das eine Ende flach, rund, das andere – spitz. Wieder musterte sie die Tür mit der unerreichbaren Angel. In Ordnung. Es gab keinen Fluchtweg.
    Sie besaß eine Waffe.

9:20 Uhr
    Endlich erntete Clare einen bewundernden Blick von John Huggins. Unglücklicherweise für ihre Kochkünste.
    »Das schmeckt großartig«, sagte er, den Mund voll Armer Ritter. »Das müssen Sie mal bei unserem jährlichen Spendenfrühstück der Feuerwehr machen.«
    Clare murmelte etwas Unverbindliches, das im Klirren der Gabeln auf den Tellern und dem Klappern der Löffel in den Tassen unterging. Sie räumte ein leeres Marmeladenglas und den Butterteller ab und ging zurück in die Küche. Vielleicht fand sie hinten im Kühlschrank

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