Das Dunkle Netz Der Rache
zuschieben. Ohne Garantie, dass er nächstes Jahr wiederkommen konnte.
Nein, was er brauchte, war wieder eine richtige Stelle. Regelmäßige Schichten, Sozialleistungen, etwas, worauf er und Lisa sich verlassen konnten. Und bei diesem Gedanken schien seine Indian Chief Springfield wie von selbst auf die Route 57 abzubiegen, die über den Fluss zur Papiermühle Reid-Gruyn führte.
Auf dem Angestelltenparkplatz stieg er ab und hängte seinen Helm hinten an den Sitz. Schon der Anblick der Fabrik deprimierte ihn. Roter Backstein mit hohen schmalen Fenstern, kauerte sie im eigenen Chemikaliengestank wie ein Tier, das zu krank war, um sich zu rühren. Hinter dem »neuen« Gebäude – das im Geburtsjahr seines Großvaters vollendet worden war – moderte die »alte« Fabrik aus Holz in den Fluss, umgeben von Unkraut und ausrangierten Maschinen. Er und Mike hatten sich in der Pause immer zum Kiffen dorthingeschlichen, bis der große indianische Vorarbeiter sie erwischt und zusammengeschlagen hatte, während er kreischte, dass die Fabrik eine verdammte Feuerfalle war, um Himmels willen, und hatten sie nicht mal so viel Verstand, wie Gott einer Gans gegeben hatte?
Es war nicht der letzte Tropfen gewesen, aber fast, und als Randy das nächste Mal in Schwierigkeiten geriet, weil er sich im Pausenraum mit einem Arschloch prügelte, das versuchte, ihn bei einer Footballwette zu bescheißen, hatte er gekündigt, ehe sie ihn feuern konnten. Das war drei Jahre her. Nun kehrte er mit eingekniffenem Schwanz zurück und bettelte um die Chance, wieder in dieser fauligen Luft und dem fluoreszierenden Licht unter einem Vorarbeiter zu schuften, der auf ihm herumhackte, als hätte er nicht alle Tassen im Schrank.
Er verschloss die Augen vor der Sonne und der kühlen, frischen Luft und ging hinein.
Die Samstagmorgenschicht hatte begonnen, und noch war niemand im Pausenraum. Randy ging an den geschrubbten Kieferntischen und der verschrammten Tür vorbei zur Männerumkleide, vorbei an den grünen, verbeulten Spinden, hob den schweren Riegel und trat hinaus in die Fabrikhalle.
Der übelkeiterregend süßliche Geruch der fermentierenden Pulpe traf ihn wie ein Fausthieb. Seine Augen tränten, und er nieste. Die Luft war heiß, schwer und feucht, pulsierte im Rhythmus der Pulper und Walzen und dem konstanten Brodeln und Zischen des Wassers. Er ging am Rand der Halle entlang. Wenn sich in den letzten drei Jahren nichts geändert hatte – und »Veränderung« gehörte nicht gerade zum Vokabular von Reid-Gruyn –, würde Larry Johnson in seinem Kabuff an der nordöstlichen Ecke herumhängen, wo er Stapel von Formularen und Qualitätsberichten ausfüllte und die Männer im Auge behielt.
Randy fand den Vorarbeiter dort, wo er ihn vermutet hatte. Dieselbe Uhrzeit, dieselbe Stelle, dieselbe dunkelgrüne Uniform mit dem roten Oval auf der Brusttasche, auf dem LEWIS stand. In den drei Jahren, in denen Randy geheiratet hatte, seinen Vater begraben, in das Haus des alten Herrn gezogen war und seiner Kollektion von Tätowierungen vier weitere hinzugefügt hatte, hatte Lewis Johnson nichts getan. Er sah noch ganz genauso aus: massiv, mit quadratischem Gesicht, die Haut wie schlecht gegerbtes Hirschleder, das begonnen hatte zu reißen. Noch hatte er volles Haar; einer der älteren Männer hatte Randy mal verraten, dass Indianer unterhalb des Halses völlig unbehaart waren, deshalb behielten sie das auf dem Schädel.
»Randy Schoof.« Johnson klang nicht gerade begeistert, ihn zu sehen.
»Hey, Lewis.«
»Was willst du hier? Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, hast du dir die Pulpe von den Stiefeln gewischt und verkündet, wir würden nie wieder das Vergnügen deiner Gesellschaft genießen.«
»Na ja, du weißt ja, die Zeiten ändern sich.« Gott, es würde schwer werden. Er verschob seine totale Demütigung noch einen Moment. »Ich habe geheiratet.«
»Hab ich gehört. Eines der Mädels von den Bains, oder?«
»Stimmt. Wir haben ein Haus hinter Barkley Mountain.«
»Hat da nicht dein Dad gewohnt?«
»Jau.« Jau. Himmel, er klang wie ein Hinterwäldler. Ein alter Hinterwäldler. »Ja«, wiederholte er. »Ich hab es geerbt.«
Johnson nickte. »Sicher fehlt er dir.« Randy war froh, dass Johnson nicht irgendwas faselte, wie leid es ihm tat. Steve Schoof war alles gewesen, was der Mann von Reid-Gruyn nicht war: für jeden Spaß zu haben, lässig, immer am Limit. Randys Vater hatte gearbeitet, um feiern zu können. Sollte Johnson jemals nach
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