Das Dunkle Netz Der Rache
und hungrig. Wer würde behaupten, sie wäre nicht die ganze Zeit herumgeirrt?«
»Sie mögen sie nicht besonders, oder?«
Lisa zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Ich kenne sie nicht gut genug, um sie zu mögen oder nicht zu mögen. Aber wissen Sie, heutzutage muss man überall auf der Hut vor Terroristen sein. Es gibt keinen Grund, warum sie nicht auch in Millers Kill zuschlagen sollten.«
Clare hielt Millers Kill für eines der unwahrscheinlichsten Ziele eines umweltterroristischen Angriffs. Aber das hätte sie auch von einem Geländewagenhandel in Michigan gedacht. Und verkaufte nicht einer der Händler in Fort Henry neuerdings Hummer?
Clare hielt eines der Flugblätter und den Brief hoch. »Darf ich die behalten? Falls die Polizei eingeschaltet wird.« Lisas bestürzter Gesichtsausdruck ließ sie innehalten. »Das muss ja nicht unbedingt eintreten. Aber ich würde die hier gern inoffiziell dem Chief zeigen. Er ist ein Freund von mir. Vielleicht hat er eine Idee, wie man sie finden könnte.«
Lisa schüttelte den Kopf. »Ich will niemandem Ärger machen. Ich weiß, wie die Bullen sind. Inoffiziell existiert für die doch gar nicht.«
»Haben Sie daran gedacht, dass es auch andersherum sein könnte? Was, wenn Millie sich mit diesen Leuten getroffen und beschlossen hat, dass sie nichts damit zu tun haben will, und jetzt gegen ihren Willen von ihnen festgehalten wird?«
»Bestimmt.« Lisas Gesichtsausdruck zeigte deutlich, was sie von dieser Vorstellung hielt. Sie fegte die Flugblätter von den Weinkisten und streckte die Hand nach den restlichen Seiten aus.
»Bitte?«, sagte Clare.
Lisa seufzte. »Ach, na gut.« Sie schob die Flugblätter in die Schublade. »Aber mein Name wird nicht erwähnt. Ich habe Ihnen nichts gezeigt, und ich weiß von nichts.«
»Abgemacht.« Clare schnüffelte. Eine der Pfannen begann zu rauchen. »Wir sollten lieber mit dem Frühstück weitermachen. Denn Gott weiß, dass keiner dieser Männer selbst etwas kochen wird.«
9:05 Uhr
Das Paketband löste sich nicht. Sie hatte versucht, es zu dehnen, es gegen die Kante des Türsturzes gerieben, hatte ihre Hände hin und her gebogen, bis ihre Handgelenke wund waren. Nichts.
Den Eimer zu benutzen war ein Alptraum an Komplikationen gewesen. Sie hatte fünf Versuche benötigt, bis sie aufrecht stand, ein Kunststück, das ihr nur deshalb gelang, weil sie sich auf ihren schmerzenden Armen vor und zurück wiegte, bis sie genug Schwung hatte, um in einer Art umgekehrtem Purzelbaum vorwärts zu rollen, und auf die Füße kam. Sie hopste die Strecke zur Wand auf beiden Füßen, um nicht vornüberzufallen. Stehend entdeckte sie, dass das Paketband zwischen ihren Beinen wie eine Kette funktionierte und sie in der Lage war, zum Eimer zu schlurfen. Die Jogginghosen zog sie nach unten, indem sie mit beinah tauben Fingern daran zerrte und auf und ab hüpfte, aber als sie sich auf den Eimer hocken wollte, verlor sie das Gleichgewicht und fiel hin. Sie war gezwungen, das ganze Theater zu wiederholen, diesmal mit um die Beine baumelnden Hosen und einem Eimer, der über den Fußboden rollte.
Sobald sie wieder stand, schlurfte sie zum Eimer und trieb ihn mit schwachen Schubsern und Tritten gegen die Wand. Ihr fiel nichts ein, wie sie ihn mit hinter dem Rücken gefesselten Händen und aneinandergeketteten Beinen aufstellen sollte, deshalb ließ sie sich schmerzhaft auf die Knie fallen und stieß ihn mit dem Kopf in seine endgültige Position. Bei dieser Gelegenheit stellte sie fest, dass sie sich aufrichten konnte, indem sie sich kräftig gegen die eisige Steinmauer lehnte und ihre Füße unter sich zwang. Diesmal presste sie Arme und Rücken an die Mauer, während sie sich hinkauerte. Sich endlich erleichtern zu können war wie ein Sieg bei der Tour der France. Zivilisation gegen Barbarei: eins zu null.
Während sie mit Hilfe der Wand ihre Jogginghose hochzog, grübelte sie, was als Nächstes zu tun war. Den Eimer zu benutzen war wenigstens ein Ziel gewesen. Jetzt hatte sie nur noch eine Wahl: Entweder kollabierte sie zu einem reglosen Häufchen, oder sie fand einen Fluchtweg aus der Zelle. Da ein regloses Häufchen zu sein bereits hinter ihr lag, war jetzt ein Fluchtversuch an der Reihe.
Dabei musste sie feststellen, dass Paketband, des Heimwerkers Freund, wesentlich widerstandsfähiger war, als sie angenommen hatte.
In Ordnung. Wenn sie es weder durchsägen noch dehnen oder aufschlitzen konnte, sollte sie die Flucht vielleicht in Fesseln
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