Das Dunkle Netz Der Rache
– zu verkaufen.«
»GWP, Inc.«
»An GWP. Vielleicht hat sie ihnen nicht vertraut, nicht geglaubt, dass sie diese ganzen Nutzungsrechte oder was auch immer an die Conservancy übertragen.«
Russ verdrehte die Augen. »Vielleicht wird sie vom Präsidenten der GWP gefangen gehalten, der sie nach der Unterzeichnungszeremonie heute Abend als Sklavin verkaufen will. Hast du das Bild von ihr in der Eingangshalle gesehen? Sie ist ziemlich heiß.«
Clare schnitt eine Grimasse. »Du bist unmöglich.«
»Das sagt Linda auch immer.«
Schweigen folgte. Als Clare wieder sprach, klang ihre Stimme leise. »Es könnte nichts sein. Aber jemand sollte ein Auge darauf haben.«
Er hielt den Blick auf den Brief gerichtet, während er ihn sorgfältig faltete. »Und das tue ich.« Er hielt ihn hoch. »Darf ich den behalten?«
Sie nickte. Er öffnete eine Tasche an seiner Tarnhose und stopfte die Blätter hinein. Sie stieß die Tür zur Speisekammer auf und schaltete das Licht an. Überraschung, Überraschung, neben einer Büchse Tee und einer Mehldose stand ein unangetastetes Glas mit Marmelade. Sie drehte sich zu Russ um und stellte das Glas neben die Brombeerkonfitüre, während sie dachte: Warum kümmere ich mich darum? Eine gefährliche Frage.
»Ich bin sicher, dass die Mannschaft deine Mühen zu würdigen weiß«, bemerkte er.
Sie schnaubte. »Das ist das Problem, wenn die Leute wissen, dass man kochen kann. Vermutlich werde ich demnächst bei jedem Rettungseinsatz zum Küchendienst abkommandiert, in alle Ewigkeit, Amen.«
Er grinste. »Komm, Julia Child. Ich verspreche, dich nie in die Küche zu stecken. Gehen wir doch mal Eugene fragen, ob er uns noch etwas über das Verschwinden seiner Schwester erzählen kann.«
9:30 Uhr
Als Randy das Haus verließ, hatte er nicht die Absicht, zu Reid-Gruyn zu fahren. Trotz der heftigen Trinkerei am Abend zuvor war er um neun Uhr frisch und energiegeladen aufgewacht. Sein Dad war genauso gewesen. Er hatte Randy immer versichert, das Geheimnis liege darin, ständig viel Protein zu essen. Er hatte von Eiern, Hühnchen und Wild gelebt, und wenn er nach vierzig Jahren nicht wegen seiner zwei Päckchen pro Tag an Lungenkrebs gestorben wäre, würde er vermutlich heute noch feiern.
Randy rollte aus dem Bett, schrubbte in der Dusche den Geruch von abgestandenem Tabakrauch und Alkohol herunter und aß sechs Rühreier zum Frühstück, begleitet vom frenetischen Plärren einer Vormittagsshow. Er wollte mit dem Motorrad in die Stadt, um seinen Truck bei Mick Yablonski abzuholen. Dieser Gedanke hielt, in Kombination mit dem Lärmen des Fernsehers und der reinen Notwendigkeit, sich zu waschen, anzuziehen und zu frühstücken, die düstere, schwere, bedrückende Realität der Kündigung von ihm fern. Gelegentlich blitzte sie auf – als er nach seinen Motorradstiefeln suchte und die Stiefel mit Stahlkappen fand, die er beim Holzfällen trug, oder als ihm der Stapel Rechnungen auf dem Küchentresen ins Auge fiel –, aber die meiste Zeit bewegte er sich in einem Zustand freiwilliger Ignoranz.
Seltsamerweise begann er sich auf der Fahrt zur Stadt damit auseinanderzusetzen. Der Wind peitschte ihm um die Ohren, die Sonne schien durch das kahle Geäst, und wirbelndes Herbstlaub begleitete seinen Weg. Er fühlte sich gut, und wenn er sich gut fühlte, dachte er an Lisa, und wenn er an Lisa dachte, hörte er ihre süße Stimme, so voller Vertrauen zu ihm. »Er findet einen anderen Job. Das tut er immer.«
Scheiße. Er durfte sie nicht enttäuschen.
Schlimm genug, dass sie ihr Leben verschwendete, indem sie anderer Leute Klos putzte. Er wusste, wie sie über ein Baby dachte. Sie war ganz verrückt nach ihrer Nichte Maddy – bot ständig an, auf sie aufzupassen, kaufte niedliche Kleidchen. Lisa verdiente ein eigenes Kind, und sie sollte es nicht zu Hause lassen müssen, um arbeiten zu gehen. Er wollte für sie sorgen, wollte ihr die Unabhängigkeit schenken, die sein Schwager mit seinen gewienerten Schuhen und seinen Bügelfalten seiner Frau nicht geben konnte.
Verdammt, er hatte fest mit dem Geld aus dem Holzjob gerechnet. Vermutlich konnte er bei einer Mannschaft weiter im Norden anheuern, aber das würde bedeuten, dass er nur ein paar Wochenenden im Monat zu Hause war, und das auch nur, wenn die Straßen frei waren und er nicht zu erschöpft zum Fahren war. Das konnte er ihr nicht antun. Sie brauchte ihn. Und als dem Neuen in der Mannschaft würde man ihm die Scheißjobs und die Scheißschichten
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