Das Dunkle Netz Der Rache
bereits vergeben.
Abholzfirmen waren nicht aufgeführt. Er nahm an, dass er von Mr. Castle Namen und Nummern bekäme, um selbst anzurufen. Für das Geld, das er dort in der Saison verdienen konnte, mussten er und Lisa vielleicht in den sauren Apfel beißen und ein paar Monate getrennt leben. Entmutigt loggte er sich aus dem PC aus und ging, wobei er Miss Hilfreich flüchtig zuwinkte, als sie »schönen Tag noch« hinter ihm herzwitscherte.
In seinem Schließfach lag eine Benachrichtigung für ein Einschreiben. Er ging damit zum Tresen. »Hey, Randy.« Geraldine Baine, die ältere Postangestellte hinter dem Schalter, war eine entfernte Cousine seiner Frau. »Wie läuft’s?«
Randy hätte fast »beschissen« geknurrt, aber der Anblick eines Posters – Fragen Sie nach ländlichen Auslieferungsstrecken – hielt ihn davon ab. »Gut«, antwortete er. »Es läuft gut. Wie ist das gemeint, die Suche nach Fahrern?«
Sie warf einen kurzen Blick auf das Plakat. »Hast du Interesse? Ich kann dir das Testformular geben.«
»Es gibt einen Test?«
»Ja. Und sie haben gerade erst was Neues angefangen, wo man eine Sicherheitsüberprüfung braucht. Aber sobald du die hinter dir hast, können wir dich auf die Liste setzen.«
»Die Liste?«
»Ja. Du fängst als Aushilfe an. Wenn du gut bist, kannst du fest arbeiten, sobald eine Stelle frei wird.«
»Wie lange dauert das Ganze?«
»Bis zum Frühsommer könntest du dabei sein.« Sie grinste. »Vorausgesetzt, du hattest noch nie was mit Anthrax zu tun. Dann stehen die Chancen schlecht.«
Er schob ihr die Einschreibebenachrichtigung zu. »Ich denk mal darüber nach.«
Geraldine ergriff die Karte und begab sich auf die Suche nach dem dazugehörigen Brief. Als sie wieder aus dem Hinterzimmer auftauchte, hielt sie einen Umschlag in der Hand. »Von der Stadt.« Sie zeigte auf die Stelle, an der er unterschreiben musste. »Ihr zwei baut doch nicht an, oder? Etwas, wofür man eine Baugenehmigung braucht? Wie zum Beispiel ein Kinderzimmer?«
Neugierige alte Hexe. »Nein. Keine Neuigkeiten.« Geraldine riss das Siegel ab und reichte Randy den Umschlag, den er zusammen mit drei Rechnungen, der Werbebroschüre des Supermarkts und einem Motorradmagazin, die er aus dem Schließfach geholt hatte, unter den Arm klemmte. »Schönen Tag noch, Süßer«, sagte Geraldine, als er sich aus dem Postamt verzog, um den Brief in Ruhe zu lesen.
Eine der städtischen Bänke, die ein Jahrhundert zuvor aufgestellt worden waren, hatte man vor dem Postamt plaziert. Randy hatte sich manchmal gefragt, warum wer auch immer die Bänke hatte aufstellen lassen, ausgerechnet diese Stelle gewählt hatte, an der kein Baum, keine Aussicht oder ein anderer Grund Anlass zum Sitzen bot. Jetzt nahm er an, dass sie genau zu diesem Zweck dort stand: damit ein Mann ein Einschreiben öffnen konnte, ohne von verwandten Tratschtanten belästigt zu werden.
Er riss den Umschlag auf und zog einen langen Brief mit dem Briefkopf der Stadt heraus. Die winzige Schrift und die amtlichen Formulierungen verschwammen vor seinen Augen. Dritte Mahnung … erhebliche Steuerschulden … Zinsen und Strafgebühren … Grundpfandrecht …
Die Stadt wollte sein Haus pfänden. Wegen 5.693,47 $ Steuerschulden. Randy ließ den Brief auf seinen Schoß sinken und starrte über die Straße auf die Leihbücherei von Millers Kill. Jemand hatte Bilder von Pilgrimkindern mit dicken Gesichtern in die Fenster zu beiden Seiten des Eingangs geklebt. Das Mädchen lehnte an einer Maisgarbe, und der Junge umarmte den Hals eines glücklichen Truthahns. Randy nahm den Brief wieder auf und las den Pfändungsbescheid noch einmal, 5.693,47 $. Wie sollte er das Geld auftreiben? Er und Lisa steckten bis zum Hals in Schulden.
Lisa. Er musste Lisa anrufen. Er war von der Bank aufgestanden und schon drei Schritte den Bürgersteig entlang zur Telefonzelle beim Supermarkt gelaufen, als er abrupt stehenblieb. Sie mochte es nicht, bei der Arbeit im Haus eines Kunden angerufen zu werden. Er sank wieder auf die Bank, schlang die Arme um seine abgewetzten Jeansknie und verbarg das Gesicht wie ein kleines Kind. Das würde eine hässliche Überraschung für Lisa. Seine Angewohnheit, schlechte Neuigkeiten zu verdrängen, machte sie wahnsinnig. Wenn er Steuerbescheide und –mahnungen nicht sah, konnte er sie ignorieren. Falls Lisa sie sah, würde sie ihn bestürmen, fordern, dass er sich darum kümmerte oder jemanden anrief. Und wenn er nach Hause kam, würde sie ihn deshalb
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