Das Dunkle Netz Der Rache
fand die Dokumente auf einem Tisch neben dem Gewehrschrank. Sie rang weniger als fünf Sekunden mit sich, ehe sie sie nahm.
Der oberste Brief stammte von der Adirondack Conservancy Corporation. Er war an Louisa van der Hoeven, Eugene van der Hoeven und Millicent van der Hoeven adressiert. Sie schüttelte den Kopf. Man konnte nicht behaupten, dass die van der Hoevens auf moderne Namen standen. Sehr geehrte blablablabla … Sie überflog den ersten Absatz, ein überschwänglicher Dank für die Zustimmung der Familie zum Verkauf. Clare fragte sich einen Augenblick, ob sie Haudenosaunee zu einem ermäßigten Preis verkauft hatten. Das mochte hinter Eugenes Zorn stehen. Vielleicht hatte er das Gefühl, übertölpelt worden zu sein?
Der zweite Absatz kam zum Kern. Gemäß den Bedingungen der vorläufigen Vereinbarung hat die ACC die Behörde für Denkmalschutz des Staates New York konsultiert, die ein Gutachten der verschiedenen Bauten auf dem Land von Haudenosaunee erstellt hat (siehe Anlage). Clare blätterte durch die Unterlagen. Wirklich, da war der Brief der Behörde, oben auf einem Stapel Dokumente, der vermutlich detaillierte Gutachten enthielt.
Erstens, die Probleme, die sich in Verbindung mit dem 1867 erbauten, ursprünglichen »Großen Haus« ergeben: Die Behörde für Denkmalschutz hat die historischen Unterlagen und dessen momentanen Zustand geprüft. Obwohl der ursprüngliche gotische Bau eigentlich unter Denkmalschutz stehen sollte, hat der Verfall, der in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg nach dem Umzug der Familie van der Hoeven in das moderne Haus einsetzte, und der darauffolgende Brand das Gebäude in einem irreparablen Zustand hinterlassen. Die ACC hat die Empfehlung der Behörde akzeptiert, das Gebäude in situ zu belassen, zum Teil wegen des historischen Werts der Ruine und zum Teil wegen der Schwierigkeiten und Kosten, den massiven Steinbau abzureißen.
Clare übersetzte im Stillen die Bürokratensprache: Das alte Gemäuer abzureißen lohnt nicht.
Zweitens, betreffend das moderne Haus und die Anbauten: Die Behörde ist zu dem Schluss gelangt, dass das gegenwärtige Wohnhaus, auch bekannt als »Haudenosaunee«, historisch bedeutungslos ist, da es in den 1940ern in keinem einheitlichen architektonischen Stil errichtet wurde und in den Sechzigern und Siebzigern wahllose Erweiterungen vorgenommen wurden. Diese mangelnde Einheitlichkeit hat zur Folge, dass weder Haus noch Anbauten in die staatliche Liste der zu schützenden Anwesen aufgenommen werden. Deshalb hat die ACC, in Übereinstimmung mit ihrem Mandat, das geschützte Gebiet des Adirondack State Parks im Zustand der »Wildnis« zu erhalten, einen Plan aufgestellt, die gegenwärtig existierenden »Erweiterungen« des Anwesens abzureißen und fremde Pflanzungen durch einheimische Spezies zu ersetzen.
Clare runzelte die Stirn. Bedeutete es das, was sie vermutete?
Der Plan sieht Folgendes vor: Innerhalb einer Woche nach der Landübertragung, die am 14. November stattfinden soll (siehe die vorläufige Beurkundung zur Übertragung des Besitzes und der Nutzungsrechte vom 14. August dieses Jahres), sollen alle Familienmitglieder unter Mitnahme ihres persönlichen Eigentums die Gebäude Haudenosaunees, i.e. Haupthaus, Garage, Gartenschuppen, Geräteschuppen und Bootshaus, räumen.
Ein Bootshaus war Clare nicht aufgefallen. Musste beim Wasserfall-Schwimmbecken stehen. Sie blätterte zur zweiten Seite des Briefes.
Die ACC wird ein Abbruchunternehmen mit dem Abriss der bestehenden Gebäude beauftragen. Soweit möglich, wird das Material vom Gelände entfernt und recycelt. Abgesehen von eventuellen Ausnahmen auf Bitten der Familie, gehen sämtliche architektonischen Elemente wie Türen, Fenster, Gebälk, Rahmen, elektrische Installationen usw. in den Besitz der ACC über und werden von ihr verkauft oder versteigert, um jegliche Kosten, die mit der Renaturalisierung Haudenosaunees einhergehen, zu decken.
Sie sah zum Esszimmer mit dem schimmernden Holzboden und dem Leuchter aus Geweihen. Historisch bedeutungslos oder nicht, sie nahm an, dass die ACC eine Menge Kosten würde decken können, wenn alles sorgfältig genug demontiert wurde. Umsichtige Planung und ein fähiges Team wären nötig – das Bild der Männer, die hinter der jungen blonden Frau standen, tauchte vor ihren Augen auf. Klemmbrett, Maßband, Kamera. Genau das, was man mitnehmen würde, wenn man den schrittweisen Abriss eines Hauses plante.
Die nächsten beiden Absätze
Weitere Kostenlose Bücher