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Das Dunkle Netz Der Rache

Das Dunkle Netz Der Rache

Titel: Das Dunkle Netz Der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Er stand auf. »Ich fahre zu meiner Mutter. Ich lasse das Funkgerät im Truck an, für den Fall, dass Sie mich erreichen müssen.«
    Seine Disponentin beäugte seine ausgebeulte Tarnhose und das langärmelige Thermohemd. »Falls Sie ab sofort im Dienst sind, sollten Sie einen Polizeiwagen nehmen und sich umziehen. Sie bewahren doch eine Reserveuniform in Ihrem Spind auf, oder?«
    Er tat ihren Vorschlag ab. »Sobald ich eine Spur von diesem Michael McWhorter habe, bin ich weg. Ich will heute Nachmittag einen guten Thriller lesen.«
    Sie schnaubte. »Jetzt weiß ich, dass Sie Ihre besten Jahre hinter sich haben. Freinehmen, wenn ein aktueller Fall anliegt? Das glaube ich erst, wenn ich es sehe.«

11:45 Uhr
    Kalte Luft. Der Geruch von Erde. Und Blut. Wo war sie? Die Schmerzen machten Denken fast unmöglich. Becky versuchte tief einzuatmen, um einen freien Kopf zu bekommen, aber die Bewegung sandte solche Schmerzwellen durch ihren Körper, als hätte man ihr einen Elektroschock versetzt. Also nur kurze flache Atemzüge. Hecheln.
    Sie schlug die Augen auf. Sie lag mit dem Gesicht halb im Dreck. Sie sah den Weg und jenseits davon Baumstümpfe, Farn und totes Laub. Der Winkel war falsch. Ihr wurde schwindlig. Sie schloss die Augen. Sie drückte sich gegen den Boden und versuchte sich hochzustemmen. Ihre Arme zitterten. Unter stechenden Schmerzen rollte sie auf den Rücken.
    Sie wollte sich nicht bewegen; sie wollte nicht denken; sie wollte genau in diesem Moment nicht in ihrem Körper sein. Sie starrte in den Himmel. Warum war er im November so viel weniger blau als im Oktober, selbst an einem sonnigen Tag? Im Oktober hatte sie immer das Gefühl, nach oben greifen und den Himmel berühren zu können. Jetzt hatte er sich hoch und bleich an den Rand der Welt zurückgezogen. Bald würde es schneien.
    Die Mittagssonne stand direkt über ihrem Kopf, wärmte wahllos sie und die Felsen und den Dreck. Aber es war Mitte November, und die Sonne war wie ein gen Himmel geschleuderter Ball, rasch oben und rasch wieder unten. In wenigen Stunden würde es dunkel werden. Und kalt. Nach Sonnenuntergang würden die Temperaturen unter den Gefrierpunkt sinken. Sie hatte solche Schmerzen, sie wollte einfach im Dreck in der Sonne liegen und so tun, als würde ihr Vater sie jeden Moment finden. Aber darauf konnte sie nicht bauen.
    Sie rollte zurück. Die Hände flach auf dem Boden, stemmte sie die Schultern hoch, den Rumpf, bis sie auf Händen und Knien kauerte. Sie würde sich zum Wagen schleppen. Er war nicht weit weg, vielleicht ein-oder zweihundert Meter. Falls sie es bis zu ihrem Auto schaffte, konnte sie bis zur Landstraße rollen. Dort war Verkehr, Leute, die beim Anblick einer Frau mit blutigem Kopf anhalten würden. Sie konnte das Handy benutzen, das in der Autohalterung hing.
    Sie kroch hügelabwärts. Kiesel schnitten an ihren Knien durch die Jeans, ein zähneknirschendes Stechen zusätzlich zu dem konstanten Pochen in ihrem Kopf und den Schockwellen, die durch ihren Körper jagten, wenn sie zu tief atmete oder eine falsche Bewegung machte. Zentimeter um Zentimeter kämpfte sie sich voran und voran und voran, in einem Nebel von Schmerz und Schweiß und Dreck und Sonnenschein, doch als sie innehielt, um zu sehen, wie weit sie gekommen war, hätte sie fast geweint.
    Nur fünf Meter von ihrem Ausgangspunkt entfernt.
    Denk nach. Was, wenn sie versuchte zu gehen? Die gebrochenen Rippen würden schmerzen, sicher, aber das taten sie auch beim Kriechen. Sie würde wenigstens vor Sonnenuntergang bei ihrem Auto sein. Sie erinnerte sich daran, dass die Rippen gestützt werden mussten, hockte sich auf die Fersen und schlang die Arme um ihren Brustkorb. Dann kam sie langsam, schwankend, auf die Beine. Ja, ja, ja. Sie bleckte die Zähne, halb Lächeln, halb Grimasse. Machte einen Schritt. Einen zweiten. Ihr Verstand lieferte dazu ein hirnverbranntes Lied aus einer der Weihnachtssendungen, die alljährlich liefen. Lasst uns froh und munter sein. Den Weg entlang. Um die Kurve.
    Wo ihr Auto hätte stehen sollen, war nichts.
    Ein Teil ihres Verstands, der jenseits ihrer Schmerzen funktionierte, sagte ihr, dass ihre Freunde aus Albany recht hatten. Sie hätte die Schlüssel nicht im Wagen lassen dürfen.
    Sie schlang die Arme fester um ihren Brustkorb. Sie fror, fror von innen, Hände und Füße waren fast taub. Okay. Sie war auf dem Weg zur Landstraße. Sie musste eben zu Fuß gehen, das war alles.
    Also ging sie. Lasst uns froh und munter sein. Sie

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