Das Dunkle Netz Der Rache
zuvor.
»Das Gespräch hatten wir schon. Nenn sie Courtney.«
»Wird sie heute Abend das hautenge schwarze Kleid tragen? Das, in dem man ihre …« Jeremy machte die Universalgeste für Brüste.
»Verdammt noch mal! Zeig meiner Frau gefälligst ein bisschen Respekt.«
»Tut mir leid, tut mir leid. Das war zu viel. Ehrlich, ich bin gekommen, um dir meine Hilfe anzubieten. Lass mich doch einen Platz am Haupttisch für dich besorgen. Und für Courtney.«
Shaun ließ sich schwer auf seinen Stuhl sinken. »Hör sich das einer an. Platzreservierungen besorgen. Ich kann einfach nicht fassen, dass du dafür deinen Diplom-Kaufmann gemacht hast.«
»Ich lerne eben von der Pike auf. Dieses Jahr bin ich für die Zufriedenheit der Gäste verantwortlich. In zwei Jahren werde ich stellvertretender Geschäftsführer sein. Und noch zwei Jahre, dann bin ich der Hauptgeschäftsführer, und danach, wer weiß. BWL/Opperman besitzt im ganzen Land Hotels.«
»Die Hotelindustrie.« Shaun spuckte das Wort aus. Für ihn klang es immer wie ein verharmlosender Begriff für Prostitution.
Jeremy ignorierte seinen verärgerten Ton. »Die Zukunft der Adirondacks und des Landes liegt nicht in der Produktion, Dad, sondern im Erlebnissektor. Tourismus, Gastronomie, Unterhaltung, Spiele – damit macht man Geld.« Mit lässiger Geste wies er auf den Büroraum. »Gewerkschaftlich organisierte Arbeiter, Steuern, Transportkosten – Reid-Gruyns Produktionskosten für ein Ries Papier sind doppelt so hoch wie die von GWP.«
»Verdammt, woher weißt du das?«
Jeremy hob den Kopf. »Ich passe auf, Dad. Ich bin Teilhaber, schon vergessen? Ich kann eine Menge Geld machen, wenn GWP einen guten Preis bietet.«
Shaun hatte das Gefühl, als hätte man ihm einen Stromschlag versetzt. »Das kann nicht dein Ernst sein. Du würdest nicht für einen Verkauf stimmen.«
»GWP könnte das Beste für Reid-Gruyn sein. Sie können es sich leisten, den Maschinenpark für Spezialpapiere zu modernisieren, sie können billige Pulpe besorgen … verdammt, sie können sogar Arbeiter herankarren, sollte die Gewerkschaft verrückt spielen.«
Shaun umkreiste seinen Schreibtisch. »Die Mühle ist seit 1872 im Besitz der Familie! Ich kann nicht – dass du nur daran denkst, sie an diese … diese … Malaysier zu verschleudern!«
Jeremy setzte sich auf. »Dad?«
Shaun konnte ihn nur anstarren, sein Mund arbeitete, in dem Versuch, Worte zu finden, die dieser Perfidie gerecht wurden.
Jeremy stand auf und ergriff Shauns Arm. »Dad. Ernsthaft. Ich will den Laden nicht verkaufen. Aber sobald das Holz aus Haudenosaunee vom Markt ist, werden unsere Produktionskosten steigen. Und bei dem, was sich im Nahen Osten abspielt, können die Benzinpreise nur nach oben gehen. Selbst wenn du ein oder zwei Jahre kostendeckend arbeiten kannst, werden sie am Ende so viel vom Profit fressen, dass Reid-Gruyn verblutet.«
»Du klingst genau wie mein Banker.« Es klang eingeschnappt, selbst in seinen Ohren.
Jeremy schüttelte ihn sanft, und Shaun hatte die verrückte Vorstellung, er sei das Kind und Jeremy der Erwachsene. »Dieser Tag hat sich abgezeichnet, seit du und Großvater in den Achtzigern die letzten Waldstücke der Firma verkauft habt. Du hast dich der Gnade der Landbesitzer ausgeliefert, und früher oder später geht alles Land an den Höchstbietenden.«
War es das, was das Studium mit seinem Sohn gemacht hatte? Ihm jedes Gefühl ausgetrieben und ihn in ein wandelndes Lehrbuch für Ökonomie verwandelt? Er war froh, dass er kein Diplom-Kaufmann war. Allmählich wurde ihm die Bedeutung dessen, was Jeremy gesagt hatte, bewusst.
»Vielleicht ist das die Lösung«, sagte Shaun und hob die Schulter, um die Hand seines Sohnes abzuschütteln. »Vielleicht sollten wir unser Waldland zurückkaufen.«
Jeremy lachte kurz auf. »Das soll wohl ein Scherz sein. Allein die Steuern würden die Profite auffressen. Das war keine Kritik an dem, was du und Großvater getan habt. Es war eine richtige Entscheidung. Konzentration auf das Kerngeschäft.«
Shaun kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und begann die Unterlagen und Tabellen und Gewinn-und Verlustrechnungen in einen Ordner zu schieben. »Ich mache keine Witze. Hast du noch nie was von vertikaler Integration gehört? Besitz von Rohstoffen, Fabrikationsanlagen und die Mittel, das Produkt auf den Markt zu bringen. Es könnte funktionieren.«
Jeremy schüttelte den Kopf. »Es ist vorbei. Der Verwaltungsrat würden dem Ankauf von Land niemals
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