Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
Vom Netzwerk:
antwortet der Bürgermeister.
    »Aber sie sah aus, als ob sie tot wäre«, sagt Davy.
    »Nur weil sie das Bewusstsein verloren hat«, erwidert der Bürgermeister. Und dann sagt er: »Ich habe eine neue Aufgabe für euch.«
    Es durchfährt uns beide wie ein Stromschlag, als er sagt »eine neue Aufgabe«.
    Ich schließe die Augen. ICH BIN DER KREIS UND DER KREIS IST DAS ICH .
    »Würdest du bitte, verdammt noch mal, damit aufhören?«, schreit mich Davy an.
    Aber wir alle hören das blanke Entsetzen in seinem Lärm, die Angst, die in ihm hochsteigt, die Furcht vor seinem Pa, vor der neuen Aufgabe.
    »Du sollst keine Anhörungen durchführen, wenn es das ist, wovor du Angst hast«, beruhigt ihn der Bürgermeister.
    »Ich habe keine Angst«, antwortet Davy viel zu laut. »Wer sagt, dass ich Angst habe?«
    Der Bürgermeister wirft uns den Sack vor die Füße.
    Ich erkenne die Umrisse wieder.
    Ich fühle nichts, lasse nichts an mich heran.
    Davy blickt auf den Sack. Sogar er ist entsetzt.
    »Nur die Gefangenen«, sagt der Bürgermeister. »Auf diese Weise können wir uns gegen das Eindringen von Feinden wehren.«
    »Du meinst, wir sollen …« Davy schaut seinen Vater an. »Menschen?«
    »Keine Menschen«, sagt der Bürgermeister. »Staatsfeinde.«
    Ich starre auf den Sack.
    Auf den Sack, in dem, wie wir nur allzu gut wissen, ein Nietapparat ist und ein Vorrat an nummerierten Armbändern.

30
    Das Band
    (VIOLA)
    Ich habe gerade die Zeitschaltuhr in Gang gesetzt und will Mistress Braithwaite sagen, dass wir gehen können, als eine Frau hinter uns aus dem Unterholz torkelt.
    »Helft mir«, bittet sie. Sie spricht so leise, ich weiß nicht, ob sie uns überhaupt bemerkt hat. Vielleicht fleht sie nicht uns an, sondern das Universum, ihr irgendwie zu helfen.
    Dann bricht sie zusammen.
    »Was ist das?«, frage ich und hole noch einen Verband aus dem kleinen Erste-Hilfe-Kasten, den wir in dem Fuhrwerk versteckt haben. Ich bemühe mich, die Wunden der Frau zu verbinden, während wir auf dem Karren hin- und hergeschüttelt werden. Sie trägt ein Metallband in der Mitte ihres Unterarms, es ist fest und schneidet so ins Fleisch, dass man meinen könnte, die Haut solle das Band überwuchern. Und die Stelle ist so gerötet und so stark entzündet, dass ich beinahe die fiebrige Hitze spüren kann, die davon ausgeht.
    »Damit kennzeichnet man Vieh«, sagt Mistress Braithwaite und treibt die Ochsen wütend mit den Zügeln an, damit sie uns über einen holprigen Feldweg ziehen, der für eine so schnelle Fahrt gar nicht geeignet ist. »Dieser teuflische Bastard.«
    »Helft mir«, flüstert die Frau.
    »Ich werde dir helfen«, versichere ich ihr.
    Ihr Kopf ist in meinen Schoß gebettet, damit sie die Schlaglöcher in der Straße nicht so stark spürt. Ich verbinde den Arm mit dem Metallband, aber zuvor sehe ich noch die Zahl, die in das Band eingeätzt ist.
    1391.
    »Wie heißt du?«, frage ich die Frau.
    Mit halb geschlossenen Lidern sagt sie nur: »Helft mir.«
    »Wie können wir sicher sein, dass sie keine Spionin ist?«, fragt Mistress Coyle, die Arme vor der Brust verschränkt.
    »Himmel noch mal«, schnauze ich sie an, »habt Ihr ein Herz aus Stein?«
    Ihr Blick verfinstert sich. »Wir müssen mit allen Tricks und Täuschungen rechnen.«
    »Die Entzündung ist so schlimm, dass wir ihren Arm wahrscheinlich nicht retten können«, sagt Mistress Braithwaite. »Wenn sie wirklich eine Spionin ist, dann wird sie nicht in der Lage sein, mit Informationen zurückzukehren.«
    Mistress Coyle seufzt. »Wo habt ihr sie gefunden?«
    »In der Nähe des neuen Gebäudes, von dem wir gehört haben«, antwortet Mistress Braithwaite.
    »Wir haben in einem kleinen Lagerhaus gleich daneben eine Bombe gelegt«, erkläre ich. »So nahe an dem Gebäude wie nur möglich.«
    »Viehbänder, um Menschen zu markieren, Nicola«, stößt Mistress Braithwaite hervor und ihr Zorn macht sich mit jedem neuen Atemwölkchen Luft.
    Mistress Coyle fährt sich mit dem Finger über die Stirn.
    »Ich weiß.«
    »Können wir es nicht einfach durchschneiden?«, frage ich. »Damit die Wunde heilt.«
    Mistress Braithwaite schüttelt den Kopf. »Die chemischen Stoffe auf den Bändern lassen die Haut niemals heilen, das ist das Schlimme. Man kann die Bänder nie wieder entfernen, ohne zu riskieren, dass der Betreffende verblutet. Sie sind für die Ewigkeit.«
    »Oh mein Gott.«
    »Ich muss mit ihr sprechen«, sagt Mistress Coyle.
    Mistress Braithwaite nickt. »Nadari behandelt

Weitere Kostenlose Bücher