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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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Gefängnis hochgegangen, sie hat einen Brunnen und eine Wasserpumpe auf einer Farm zerstört.
    »Ich weiß es nicht«, sagt die Frau und ihre Stimme klingt gepresst. Sie hustet. »Ich habe Haven nicht verlassen seit …«
    »Verlassen, um wohin zu gehen?«, fragt Mr Hammar. Er packt einen Griff und kippt den gesamten Metallrahmen nach vorn, sodass die Frau mit dem Gesicht nach unten in einen Bottich voller Wasser taucht, er hält den Rahmen fest, auch dann noch, als die Frau an ihren Fesseln zerrt.
    Ich blicke auf meine Füße.
    »Todd, sieh bitte hoch«, sagt der Bürgermeister, der hinter uns steht. »Wie willst du sonst etwas lernen?«
    Ich sehe hoch.
    Wir befinden uns in einem kleinen Zimmer vor einem Einwegspiegel und blicken in die Anhörungsarena, die eigentlich nur aus einem Raum mit hohen Betonwänden besteht, von dem aus nach allen Seiten ähnliche Zimmer mit ähnlichen Spiegeln abgehen. Davy und ich sitzen auf einer schmalen Bank nebeneinander.
    Und sehen zu.
    Mr Hammar stellt den Rahmen wieder gerade. Die Frau taucht aus dem Wasserbottich auf, sie ringt keuchend nach Luft und zerrt an ihren Fesseln.
    »Wo wohnst du?« Mr Hammar hat sein typisches Lächeln aufgesetzt, dieses widerliche Grinsen, das er fast immer zur Schau trägt.
    »In New Prentisstown«, keucht die Frau.
    »Genau«, sagt Mr Hammar, dann sieht er zu, wie die Frau so stark hustet, dass sie würgt und Erbrochenes ihre Wange herabläuft. Er nimmt ein Handtuch von einem Beistelltisch und wischt der Frau vorsichtig übers Gesicht, wischt so viel von dem Erbrochenen weg, wie es nur geht.
    Die Frau schnappt nach Luft, aber sie lässt Mr Hammar nicht aus den Augen, während er sie abwischt.
    Sie wirkt jetzt noch ängstlicher als zuvor.
    »Warum macht er das?«, fragt Davy.
    »Was?«, fragt der Bürgermeister.
    Davy zuckt die Schultern. »Nett sein, ich weiß nicht.«
    Ich sage nichts. Das Bild, wie der Bürgermeister mich verbunden hat, lasse ich nicht in meinen Lärm.
    Damals, vor so vielen Monaten.
    Ich höre, wie sich der Bürgermeister bewegt, Geräusche macht, um meinen Lärm zu übertönen, den Davy nicht hören soll. »Wir sind keine Unmenschen, Davy. Wir machen das nicht, um uns zu amüsieren.«
    Ich schaue durch den Spiegel zu Mr Hammar und sehe, wie er grinst.
    »Ja, Todd«, sagt der Bürgermeister, »zugegeben, Käpten Hammar legt eine gewisse Schadenfreude an den Tag, die vielleicht befremdlich wirken mag, aber die Ergebnisse, die er erzielt, sind großartig.«
    »Geht’s dir wieder besser?«, fragt Mr Hammar die Frau. Wir hören ihn reden, weil ein Mikrofon seine Stimme in unseren Raum überträgt. Seine Lippen und seine Stimme scheinen auf eine merkwürdige Weise nichts miteinander zu tun zu haben, man hat eher den Eindruck, einen Film zu sehen als die Wirklichkeit.
    »Es tut mir leid, dass ich dich weiterbefragen muss«, sagt Mr Hammar. »Aber es liegt an dir, wie lange die Anhörung noch dauert.«
    »Bitte«, sagt die Frau im Flüsterton. »Bitte, bitte, ich weiß nichts.«
    Und sie fängt an zu weinen.
    »Oh Mann«, stößt Davy leise hervor.
    »Der Feind benutzt alle Tricks, um unser Mitleid zu erregen«, sagt der Bürgermeister.
    Davy schaut ihn an. »Dann ist das also nur ein Trick?«
    »Da bin ich mir fast sicher.«
    Ich schaue die Frau an. Sie sieht nicht so aus, als wollte sie uns täuschen.
    ICH BIN DER KREIS UND DER KREIS IST DAS ICH, denke ich.
    »Genauso ist es«, sagt der Bürgermeister.
    »Du hast es selbst in der Hand, wie es hier weitergeht«, sagt Mr Hammar zu der Frau. Sie versucht den Kopf zu drehen und seinen Bewegungen zu folgen, aber das Gestell, an dem sie festgeschnallt ist, erlaubt es ihr kaum, sich zu bewegen. Er ist irgendwo außerhalb ihres Gesichtsfelds. Um sie zu verunsichern, nehme ich an.
    Denn natürlich hat Mr Hammar keinen Lärm.
    Aber ich und Davy.
    »Nur dumpfes Gemurmel, Todd«, sagt der Bürgermeister, der meine Frage in meinem Lärm gelesen hat. »Siehst du die Metallstäbe, die neben ihrem Kopf im Rahmen stecken?«
    Er zeigt mit dem Finger darauf. Davy und ich sehen sie.
    »Sie erzeugen einen schrillen Pfeifton in ihren Ohren«, erklärt der Bürgermeister. »Er macht jeden Lärm, den man möglicherweise aus den Beobachtungsräumen hören könnte, unverständlich. So können sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf denjenigen richten, der sie befragt.«
    »Damit sie nicht hören, was wir ohnehin schon wissen«, sagt Davy.
    »Ja«, antwortet der Bürgermeister und ist ein wenig überrascht. »Ja,

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