Das dunkle Paradies
stark gemacht. Ich werde dich lehren, diese Stärke zu nutzen, und wir beide werden …«
»Wenn Ihr sie anrührt«, fällt ihm Todd ins Wort, »werde ich Euch in Stücke reißen.«
Der Bürgermeister lächelt. »Das glaube ich dir.« Er hebt die Waffe. »Aber das ändert nichts.«
»Todd!«, rufe ich.
Er sieht mich an. »Das ist seine Art zu gewinnen, Viola. Er spielt uns gegeneinander aus, so wie du gesagt hast. Aber damit ist jetzt Schluss.«
»Todd …« Ich will aufstehen, aber meine blöden Knöchel lassen mich im Stich und ich falle. Todd streckt die Hand nach mir aus.
Aber es ist Davy.
Davy ist es, der mich am Arm packt und mich vorsichtig wieder auf den Stuhl setzt. Und mir dabei immer noch nicht in die Augen schaut. Und auch Todd nicht. Und noch weniger seinem Vater. Vor Verlegenheit blitzt sein Lärm gelb auf, als er mich wieder loslässt.
»Danke, David«, sagt der Bürgermeister, er kann seine Überraschung kaum verhehlen. »Und nun«, wendet er sich wieder an mich, »hättest du die Freundlichkeit, uns zu sagen, wann und wo die Antwort tatsächlich angreift?«
»Sag’s ihm nicht«, warnt mich Todd.
»Aber ich weiß es doch gar nicht«, sage ich. »Lee hat sie sicher schon …«
»Dafür war die Zeit zu knapp, das weißt du genau«, unterbricht mich der Bürgermeister. »Es ist doch klar, was passiert ist. Deine Mistress hat dich wieder mal reingelegt. Wenn die Bombe wie geplant explodiert wäre, dann wäre es egal gewesen, ob deine Information stimmt, denn du, und wie sie hoffte, auch ich, wären jetzt tot. Würde man dich jedoch gefangen nehmen, dann umso besser. Denn der beste Lügner ist der, der selbst an seine Lügen glaubt.«
Ich antworte nichts, denn wie hätte sie mich reinlegen können mit einer Information, die Lee ganz zufällig aufgeschnappt hat?
Es sei denn …
… sie wollte, dass er es mit anhört.
Sie wusste, dass er es vor mir unmöglich verheimlichen konnte.
»Ihr Plan ist perfekt aufgegangen, nicht wahr, Viola?« Der Schatten der untergehenden Sonne fällt auf das Gesicht des Bürgermeisters und lässt es schwarz erscheinen. »Eine Finte nach der anderen. Eine Lüge nach der anderen. Sie hat dich wunderbar nach ihrer Pfeife tanzen lassen, stimmt’s?«
Ich starre ihn hasserfüllt an. »Sie wird Euch besiegen«, sage ich. »Sie ist ebenso skrupellos wie Ihr.«
Er grinst. »Skrupelloser, würde ich sagen.«
»Pa?«, fragt Davy.
Der Bürgermeister blinzelt verwundert, so als habe er ganz vergessen, dass sein Sohn noch da ist. »Was ist denn?«
»Ähm, was ist mit den Truppen?« Davys Lärm klingt verwirrt, er will verstehen, was sein Vater da tut, aber er kann sich keinen Reim darauf machen. »Was sollen wir jetzt tun? Wohin sollen wir gehen? Käpten Hammar wartet auf deine Befehle.«
Um uns herum kriecht das dumpfe, ängstliche Dröhnen von Prentisstown aus den Häusern, aber in den Fenstern sieht man keine Gesichter, und vom Berg mit dem eingekerbten Gipfel hört man das finstre, verworrene Brausen der Soldaten. Sie sind noch oben auf dem Berg, glänzend wie eine Kolonne schwarzer Käfer, die einer über den Panzer des anderen rutschen.
Und wir sitzen hier, mit dem Bürgermeister und seinem Sohn, in den Ruinen der Kathedrale, als wären wir die einzigen Menschen auf diesem Planeten.
Der Bürgermeister sieht mich an. »Ja, sag es uns. Was sollen wir jetzt tun?«
»Ihr werdet fallen«, sage ich, ohne mit der Wimper zu zucken. »Ihr werdet untergehen.«
Er lächelt mich an. »Aus welcher Richtung kommen sie? Du bist ein kluges Mädchen. Irgendetwas musst du gehört haben, irgendeinen Hinweis auf die wahren Pläne von Mistress Coyle musst du mitbekommen haben.«
»Das wird sie Euch nicht sagen«, mischt Todd sich ein.
»Ich kann nichts sagen, weil ich nichts weiß.« Und ich bin überzeugt, dass ich wirklich nichts weiß.
Bis auf die Sache, die sie mir von der Straße im Osten erzählt hat.
»Ich warte, Viola« Der Bürgermeister legt das Gewehr an und zielt auf Todds Kopf. »Auf die Gefahr hin, dass ich ihn erschießen muss.«
»Pa?«, ruft Davy, und man hört das Entsetzen in seinem Lärm. »Was hast du vor?«
»Das geht dich nichts an, David. Setz dich wieder aufs Pferd. Du musst Käpten Hammar augenblicklich eine Botschaft überbringen.«
»Du zielst auf Todd, Pa.«
Todd dreht sich um und schaut ihn an. Ich auch. Und auch der Bürgermeister.
»Du willst ihn doch nicht etwa erschießen?«, sagt Davy. »Das darfst du nicht.«
Jetzt sind Davys Wangen
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