Das dunkle Paradies
gerötet, sie glühen so sehr, dass sie sogar im Licht des Sonnenuntergangs noch leuchten. »Er ist dein zweiter Sohn, hast du gesagt.«
Es tritt eine unangenehme Stille ein, während Davy verzweifelt versucht seinen Lärm zu dämpfen.
»Siehst du, was ich mit ›Macht‹ gemeint habe, Todd?«, fragt der Bürgermeister. »Siehst du, welchen Einfluss du schon auf meinen Sohn ausübst? Du hast in ihm schon einen glühenden Anhänger.«
Davy blickt mir in die Augen. »Sag ihm, wo sie sind.« Sein Lärm ist voller Angst. »Komm schon, sag’s ihm einfach.«
Ich blicke zu Todd hinüber.
Todd blickt auf Davys Gewehr.
»Ja, warum sagst du es mir nicht einfach?«, fragt der Bürgermeister. »Das ist das Beste, was du tun kannst. Kommen sie von Westen?« Er blickt hinüber zu den Wasserfällen, der höchsten Erhebung am Horizont, wo die Sonne langsam hinter der Straße versinkt, die sich im Zickzack in den Berg wühlt, den Berg, den ich nur einmal herab- und niemals hinaufgestiegen bin. »Oder vielleicht von Norden, obwohl sie dort irgendwie den Fluss überqueren müssten? Oder über einen der Hügel im Osten? Ja, vielleicht sogar über den Hügel, auf dem deine Mistress den Turm in die Luft gejagt und damit deine einzige Chance zerstört hat, mit deinen Leuten Verbindung aufzunehmen.«
Ich beiße die Zähne zusammen.
»Immer noch treu ergeben, nach allem, was geschehen ist?«
Ich gebe keine Antwort.
»Wir könnten Truppen aussenden, Pa«, wirft Davy ein. »Und zwar an verschiedene Orte. Irgendwoher müssen sie ja schließlich kommen.«
Der Bürgermeister wartet eine Zeit lang und schweigt. Dann befiehlt er Davy: »Geh und sage Käpten Hammar …«
Ein lautes Wumm! in der Ferne unterbricht ihn.
»Das kam von Osten«, sagt Davy, während wir uns alle in diese Richtung drehen, obwohl uns eine Mauer die Sicht versperrt.
Es kam tatsächlich von Osten.
Es kam von der Straße, die sie mir genannt hat.
Ich sollte denken, dass die Wahrheit eine Lüge und die Lüge Wahrheit sei.
Wenn ich hier jemals wieder rauskommen sollte, werden wir ein Wörtchen miteinander reden, sie und ich.
»Das Amt für Anhörung , natürlich«, sagt der Bürgermeister. »Natürlich, wo sonst sollten sie …«
Er hält inne, legt den Kopf schräg und lauscht. Ein paar Sekunden später hören wir es auch. Es ist der Lärm von jemandem, der auf die Kathedrale zurennt; er kommt von hinten, von der Straße, die auch wir benutzt haben, er läuft an der Kathedrale entlang zur Vorderseite, rennt keuchend auf uns zu.
Es ist der rothaarige Wachmann. Er nimmt offensichtlich kaum wahr, wen er da vor sich hat, als er über die Trümmer des Gebäudes steigt. »Sie kommt!«, schreit er. »Die Antwort kommt!«
Der Bürgermeister schleudert eine Welle von Lärm auf ihn. Der rothaarige Soldat taumelt, aber er fängt sich wieder. »Reiß dich zusammen, Soldat«, sagt Prentiss mit einer Stimme, die so geschmeidig ist wie die Bewegung einer Schlange. »Und dann berichte uns eins nach dem anderen.«
Der Wachmann ringt nach Luft. »Sie haben das Amt für Anhörung gestürmt.« Er sieht den Bürgermeister an, gefangen von seinem Blick. »Sie haben alle Wachen getötet.«
»Natürlich«, sagt der Bürgermeister. »Wie viele sind es?«
»Zweihundert.« Der rothaarige Soldat antwortet, ohne mit der Wimper zu zucken. »Sie lassen die Gefangenen frei.«
»Waffen?«, fragt der Bürgermeister weiter.
»Gewehre. Leuchtspurmunition. Granatwerfer. Belagerungskanonen, auf Fuhrwerke montiert.« Sie sehen sich noch immer in die Augen.
»Wie steht es im Moment?«
»Es wird erbittert gekämpft.«
Der Bürgermeister zieht eine Augenbraue hoch.
»Es wird erbittert gekämpft, Sir«, wiederholt der Wachmann. Sein Blick ist starr auf den Bürgermeister gerichtet.
Wumm! Alle außer dem Bürgermeister und dem Soldaten zucken zusammen. »Sie haben den Krieg begonnen, Sir«, sagt der Soldat.
Der Bürgermeister fixiert ihn weiter. »Dann solltest du versuchen sie aufzuhalten.«
»Sir?«
»Du solltest zu deinem Gewehr greifen, um zu verhindern, dass die Antwort deine Stadt zerstört.«
Der Soldat ist verwirrt. »Ich sollte …«
»Du solltest an der Front sein, Soldat. Dies ist die Stunde, in der jeder gebraucht wird.«
»Dies ist die Stunde, in der jeder gebraucht wird«, murmelt der Soldat.
»Pa?«, sagt Davy fragend, aber Bürgermeister Prentiss achtet nicht auf ihn.
»Worauf wartest du noch, Soldat? Es ist Zeit zu kämpfen.«
»Es ist Zeit zu kämpfen«,
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