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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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Viola«, sagt der Bürgermeister, »falls du vorhaben solltest, mit diesem schönen Tier zu fliehen, werde ich Todd mehr als nur eine Kugel verpassen.« Er blickt mich an. »Wie sehr mich das auch schmerzen würde.«
    »Lasst sie in Ruhe«, schnauze ich ihn an. »Ich werde alles tun, was Ihr wollt.«
    »Hab ich das nicht schon mal gehört?«, spottet er. »Hilf ihr vom Pferd.«
    Ich zögere, denn ich frage mich, ob ich Angharrad nicht vielleicht doch einen Klaps auf die Flanken geben soll, ob sie nicht doch einfach auf dem Pferd fliehen soll, ob ich Viola auf diese Weise in Sicherheit bringen könnte.
    »Nein«, sagt Viola. Sie hebt ihr Bein schon über den Sattel. »Auf gar keinen Fall. Ich bleibe bei dir.«
    Ich fasse sie an den Armen und helfe ihr vom Pferd. Sie muss sich auf mich stützen, um stehen zu können, aber ich halte sie sicher und fest.
    »Hervorragend«, sagt der Bürgermeister. »Nun lasst uns nach drinnen gehen und ein bisschen plaudern.«
    »Fangen wir mit dem an, was ich weiß.«
    Er hat uns dorthin geführt, wo sich einmal das Zimmer mit dem bunten Glasfenster befunden hat, aber jetzt sind zwei Seitenwände eingestürzt, und man kann von hier aus den Himmel sehen. Das Fenster ist noch heil, aber es gibt den Blick frei auf eine Trümmerlandschaft – auf eine kleine, freigeräumte Fläche, wo ein kaputter Tisch und zwei Stühle stehen. Auf denen Viola und ich sitzen.
    »Ich weiß zum Beispiel«, spricht der Bürgermeister weiter, »dass du Aaron nicht getötet hast, Todd, dass du niemals den entscheidenden Schritt getan hast, um ein Mann zu werden. Es war Viola, die mit dem Messer zugestoßen hat.«
    Viola drückt meinen Arm und gibt mir damit zu verstehen, dass es keine Rolle spielt, dass er es weiß.
    »Ich weiß, dass Viola dir gesagt hat, die Antwort würde sich am Meer verstecken, damals, als ich dich weglaufen ließ, damit du mit ihr sprechen konntest.«
    Vor Wut und Verlegenheit schwillt mein Lärm an. Viola drückt meinen Arm noch fester.
    »Ich weiß, dass ihr den Jungen, der Lee heißt, weggeschickt habt, damit er die Antwort warnt.« Er setzt sich auf den kaputten Tisch. »Und natürlich weiß ich auch genau, wann und wo sie angreifen wird.«
    »Ihr seid ein Ungeheuer«, sage ich.
    »Nein«, korrigiert mich der Bürgermeister. »Ich bin nur ein Anführer. Nur ein Anführer, der jeden deiner Gedanken lesen kann, der alles weiß, was du über dich, über Viola, über mich, über diese Stadt denkst, der die Geheimnisse kennt, die du zu verbergen suchst. Ich finde alles heraus, Todd. Du hörst mir nur nicht zu.« Er hat immer noch das Gewehr in der Hand und beobachtet uns. »Noch ehe du den Mund aufgemacht hast, wusste ich schon alles über den bevorstehenden Angriff.«
    Ich richte mich in meinem Stuhl auf. »Ihr habt was?«
    »Ich hatte die Armee schon zusammengezogen, noch ehe wir mit Violas Anhörung begonnen haben.«
    Ich springe wütend auf. »Also habt Ihr sie wegen nichts und wieder nichts gefoltert?«
    »Setz dich«, befiehlt der Bürgermeister, und ein schwaches Aufblitzen seines Lärms lässt meine Knie so weich werden, dass ich mich auf der Stelle wieder hinsetze. »Nicht für nichts und wieder nichts, Todd. Du solltest mich inzwischen gut genug kennen, um zu wissen, dass ich nichts ohne Grund tue.«
    Er steht von dem schiefen Tisch auf und beginnt wieder mit seiner Lieblingsbeschäftigung, nämlich auf und ab zu laufen und dabei zu reden.
    »Ich durchschaue dich völlig, Todd. Ich habe dich schon immer durchschaut, angefangen von unserer ersten echten Begegnung in diesem Zimmer hier bis zu diesem Augenblick, da du vor mir sitzt. Ich habe alles gewusst. Schon immer.«
    Er richtet den Blick auf Viola. »Etwas anders verhält es sich mit deiner netten Freundin hier. Sie leistet mehr Widerstand, als ich geglaubt habe.«
    Viola zieht die Stirn in Falten. Hätte sie Lärm, ich bin sicher, sie würde ihm ihre Gedanken um die Ohren hauen.
    Dabei kommt mir ein Gedanke …
    »Versuch’s gar nicht erst«, sagt der Bürgermeister. »Du bist noch nicht annähernd so weit. Sogar Käpten Hammar hat noch damit zu kämpfen. Du würdest dir nur selbst schaden.« Er sieht mich nachdenklich an. »Aber du könntest es lernen, Todd. Du könntest es weit bringen, viel weiter als irgendeiner dieser armen Schwachköpfe, die mir von Prentisstown bis hierher gefolgt sind. Angefangen von Mr Collins, bei dem es kaum zum Kammerdiener reichte, bis zu Käpten Hammar, der nicht viel mehr als ein

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