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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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mich mit jedem unterhalten, der früher etwas in dieser Stadt zu sagen hatte. Einige von diesen Leuten arbeiten jetzt für mich. Andere passen nicht in unsere neue Ordnung, aber das ist nicht weiter schlimm, denn es wartet noch viel Arbeit auf uns, wenn wir diese Stadt wieder aufbauen wollen, damit sie bereit ist für deine Leute. Damit New Prentisstown ein wahres Paradies wird, so wie es sich die neuen Siedler erhoffen.«
    Er blickt mir unverwandt in die Augen, und mir fällt auf, wie dunkelblau seine eigenen Augen sind, wie Wasser, das über Schiefergestein rinnt.
    »Und von all den Leuten, die ich in New Prentisstown getroffen habe, ist deine Mistress Coyle die Einzige, die wirklich weiß, was es heißt, Menschen zu führen. Autorität fällt einem nicht in den Schoß, man muss sie sich nehmen, und vielleicht ist sie der einzige Mensch auf diesem Planeten, abgesehen von mir, der genügend Willensstärke dazu besitzt.«
    Ich sehe ihn an und dabei kommt mir ein Gedanke.
    Sein Lärm ist so stumm wie das schwarze Nichts draußen im All und weder seine Miene noch sein Blick verraten etwas.
    Aber ich fange an, mich zu fragen …
    Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren …
    Hat er vielleicht Angst vor ihr?
    »Warum, glaubst du, habe ich dich mit deiner Schusswunde wohl zu ihr gebracht?«, fragt er.
    »Sie ist die beste Heilerin. Das habt Ihr selbst gesagt.«
    »Ja, aber sie ist bei Weitem nicht die einzige. Verbände und Arzneien heilen dich, Mistress Coyle wendet sie nur mit besonderem Geschick an.«
    Unwillkürlich taste ich mit der Hand nach der Narbe an meinem Bauch. »Es ist nicht nur das.«
    »Das stimmt. Da hast du Recht.« Er beugt sich näher zu mir. »Ich möchte, dass sie auf meiner Seite steht. Ich brauche sie als meine Verbündete, wenn die neue Gesellschaft, die ich aufbauen will, ein Erfolg werden soll. Wenn wir Hand in Hand arbeiten, Mistress Coyle und ich«, er lehnt sich zurück, »was für eine Welt könnten wir erschaffen!«
    »Ihr habt sie eingesperrt.«
    »Aber ich wollte sie nicht für immer eingesperrt lassen. Die Grenzen zwischen Männern und Frauen verschwimmen und die Erneuerung dieser Grenzen ist langwierig und schmerzhaft. Es braucht Zeit, wieder gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Aber wie ich schon sagte, dürfen wir nie das Wichtigste vergessen: Der Krieg ist vorbei. Er ist wirklich vorbei. Ich will keine Kämpfe, kein Blutvergießen mehr.«
    Um überhaupt etwas zu tun, hebe ich die Tasse, deren Inhalt inzwischen kalt geworden ist, und führe sie an den Mund, ohne zu trinken.
    »Geht es Todd gut?«, frage ich, ohne ihn anzuschauen.
    »Er ist fröhlich und gesund und arbeitet an der frischen Luft«, antwortet der Bürgermeister.
    »Darf ich ihn sehen?«
    Er schweigt, scheint zu überlegen. »Willst du mir einen Gefallen tun?«, fragt er mich.
    »Welchen?« Wieder Schweigen. Ein neuer Gedanke drängt sich mir auf. »Ihr wollt, dass ich ihr nachspioniere.«
    »Nein«, antwortet er. »Du sollst nicht spionieren. Ich möchte nur, dass du mir hilfst, sie davon zu überzeugen, dass ich nicht der Tyrann bin, für den sie mich hält, und dass die Dinge sich nicht so zugetragen haben, wie sie glaubt. Mach ihr klar, dass wir beide, sie und ich, mit vereinten Kräften diesen Planeten zu jener Heimstatt machen können, die wir beide ersehnt haben, als wir damals, vor so vielen Jahren, die alte Welt hinter uns ließen. Ich bin nicht ihr Feind. Und auch nicht deiner.«
    Er scheint es ernst zu meinen. Wirklich.
    »Ich bitte dich um deine Hilfe«, sagt er.
    »Ihr habt hier das Sagen«, antworte ich. »Ihr seid nicht auf meine Hilfe angewiesen.«
    »Doch«, sagt er eindringlich. »Du stehst mit ihr auf vertrauterem Fuße, als ich es je könnte.«
    Tue ich das wirklich?
    Das ist das Mädchen , kommt mir in den Sinn.
    »Ich weiß sehr wohl, dass sie dir in jener ersten Nacht ein Beruhigungsmittel gegeben hat. Du solltest einschlafen, bevor du mir etwas mitteilen konntest.«
    Ich nippe an meinem Kaffee. »Hättet Ihr nicht dasselbe getan?«
    Er lächelt. »Du gibst also zu, dass wir gar nicht so verschieden sind, sie und ich?«
    »Wie kann ich Euch vertrauen?«
    »Wie kannst du ihr vertrauen, wenn sie dich mit Drogen betäubt?«
    »Sie hat mir das Leben gerettet.«
    »Und ich habe dich zu ihr gebracht.«
    »Aber sie hält mich nicht gefangen im Haus der Heilung .«
    »Du bist ohne Begleitung hierhergekommen. Die Einschränkungen sind mit dem heutigen Tag gelockert worden.«
    »Sie bildet mich als Heilerin

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