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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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euch ein paar kleine Atomheizöfen bringen, wenn dich das beruhigt.«
    Ich blinzle ihn ungläubig an. »Wirklich?«
    »Wirklich?«, fragt auch Davy.
    »Sie haben gut gearbeitet unter deiner Anleitung«, sagt der Bürgermeister, »und du hast viel Einsatz gezeigt in den vergangenen Wochen, Todd. Du bist ein guter Anführer.«
    Er lächelt, ein beinahe warmes Lächeln.
    »Ich weiß, du bist jemand, der nicht mit ansehen kann, wenn andere leiden.« Er schaut mir in die Augen, fast zwingt er mich dazu, seinem Blick auszuweichen. »Dein Mitgefühl ehrt dich.«
    »Mitgefühl«, kichert Davy.
    »Ich bin stolz auf dich.« Der Bürgermeister strafft die Zügel. »Auf euch beide. Und eure Mühe soll nicht umsonst gewesen sein.«
    Davys Lärm strahlt zufrieden, als der Bürgermeister zum Tor des Klosters hinausreitet. »Haste gehört?«, fragt er und zwinkert. »Wir kriegen ’ne Belohnung, zartbesaitete Schweinebacke.«
    »Halt die Klappe, Davy«, sage ich und gehe die Außenmauer entlang zur Rückseite des Gebäudes, dorthin, wo noch das letzte Stückchen freien Felds ist und sich alle Spackle zusammendrängen. Sie machen mir den Weg frei, als ich mitten zwischen ihnen hindurchgehe. »Wir kriegen Heizöfen«, sage ich und lasse sie die Neuigkeit auch in meinem Lärm hören. »Jetzt wird’s besser.«
    Sie vermeiden strikt, mich zu berühren.
    »Ich hab gesagt: Jetzt wird’s besser!«
    Blöde, undankbare …
    Ich bleibe stehen. Ich hole tief Luft. Dann gehe ich weiter.
    Am Ende des Gebäudes haben wir ein paar Verschalungen, die wir noch nicht brauchen, schräg an die Außenmauer gelehnt. »Du kannst rauskommen«, rufe ich.
    Eine Zeit lang rührt sich gar nichts, dann raschelt etwas leise, und 1017 kommt hervorgekrochen, seinen Arm trägt er in einer Schlinge, die er aus einem meiner wenigen Hemden gemacht hat. Er ist noch dünner als sonst, an der Stelle, wo sein Arm gebrochen ist, ist er noch ein bisschen gerötet, aber es sieht so aus, als würde die Entzündung zurückgehen. »Ich habe ein paar Schmerzmittel besorgt«, sage ich und ziehe sie aus meiner Tasche.
    Er reißt sie mir mit einer jähen Bewegung aus der Hand und kratzt mich dabei.
    »Pass bloß auf«, stoße ich zwischen den Zähnen hervor. »Soll ich dich wegbringen lassen, damit sie mit dir das Gleiche machen, was sie mit allen lahmen Spackle machen?«
    Mir schlägt ein Schwall seines Lärms entgegen, aber ich kenne diese Gedanken schon, es ist immer das Gleiche: Er steht über mir, mit einem Gewehr in der Hand, er schlägt auf mich ein, ich flehe ihn an, damit aufzuhören, er bricht mir den Arm.
    »Ja«, sage ich. »Viel Spaß dabei.«
    »Spielst du wieder mit deinem Schoßhündchen?« Davy ist gekommen, er lehnt mit verschränkten Armen an der Wand. »Weißt du, ein Pferd wird erschossen, wenn es sich das Bein bricht.«
    »Er ist aber kein Pferd.«
    »Nö«, sagt Davy. »Er ist ein Schaf.«
    Ich blase die Backen auf. »Danke, dass du das deinem Vater nicht gesagt hast.«
    Davy zuckt die Schultern. »Lass mal gut sein, Schweinebacke, Hauptsache, du vermasselst uns die Belohnung nicht.«
    1017 schnalzt uns beide böse an, hauptsächlich mich.
    »Er scheint dir nicht sonderlich dankbar zu sein«, bemerkt Davy.
    »Tja, ich habe ihn schon zweimal gerettet.« Ich schaue 1017 an, schaue ihm direkt in die Augen, die mich nie loslassen. »Ein drittes Mal werde ich das nicht tun.«
    »Das sagst du jetzt«, antwortet Davy, »aber jeder weiß, dass du es wieder tun wirst.« Er deutet mit dem Kinn auf 1017. »Sogar der.« Davy reißt spöttisch die Augen auf. »Weil du so zart und mitfühlend bist.«
    »Halt die Klappe.«
    Er geht lachend davon und 1017 starrt mich an und starrt mich an.
    Und ich starre zurück.
    (Ich habe ihn ihretwegen gerettet.)
    (Wenn sie hier wäre, dann würde sie sehen, dass ich ihn gerettet habe.)
    (Wenn sie hier wäre.)
    (Aber sie ist nicht hier.)
    Ich balle die Hände zu Fäusten, aber dann zwinge ich mich, sie wieder zu öffnen.
    New Prentisstown hat sich sehr verändert im letzten Monat, das stelle ich tagtäglich fest, wenn wir nach Hause reiten.
    Zum Teil liegt es daran, dass der Winter kommt. Die Blätter an den Bäumen haben sich lila und rot verfärbt und sind auf die Erde gefallen, man sieht nur die großen, kahlen, winterlichen Gerippe der Bäume. Die immergrünen Pflanzen tragen ihr Nadelkleid noch, aber sie haben ihre Zapfen abgeworfen, und Kletterpflanzen kriechen dicht an den Stämmen entlang und überlassen die nackten

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