Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
Vom Netzwerk:
hingekommen?«
    »Ich weiß nicht«, sage ich und mir wird ganz elend. »Aber das werden sie teuer bezahlen.«
    Bürgermeister Ledger fährt sich müde mit der Hand übers Gesicht, als wir die Sirenen hören und die Soldaten, die unten in der Stadt durcheinanderschreien. Er schüttelt den Kopf. »Ich weiß nicht, was sie damit erreich…«
    Wumm!
    Wumm!
    Wumm!
    Wumm!
    Wumm!
    Fünf gewaltige Explosionen, kurz hintereinander, sie lassen den Turm so erzittern, dass Bürgermeister Ledger und ich zu Boden geschleudert werden, ein paar Fensterscheiben gehen zu Bruch, sie bersten nach innen, sie überschütten uns mit Scherben und hüllen uns in Glasmehl.
    Der ganze Himmel erhellt sich.
    Der Himmel im Westen.
    Eine Wolke aus Feuer und Rauch steigt so hoch über den Gefängnissen auf, dass man glauben könnte, ein Riesendrache flöge darüber hinweg.
    Neben mir ringt Bürgermeister Ledger nach Luft.
    »Sie haben’s getan«, sagt er keuchend. »Sie haben’s tatsächlich getan.«
    Sie haben’s tatsächlich getan, denke ich.
    Sie haben ihren Feldzug begonnen.
    Und ich kann nicht anders …
    Ich muss immer denken …
    Kommt sie jetzt und holt mich?

25
    Die Nacht, in der es passiert
    (VIOLA)
    »Du musst mir helfen«, sagt Mistress Lawson, die in der Küchentür steht.
    Ich strecke die Hände, die voller Mehlstaub sind, in die Höhe. »Ich bin gerade dabei …«
    »Mistress Coyle hat mich ausdrücklich gebeten, dich zu holen. Sie duldet keinen Aufschub.«
    Ich schaue sie finster an, denn ich mag das Wort »holen« nicht. »Und wer soll dann das Brot für morgen backen? Lee ist weggegangen und sammelt Feuerholz.«
    »Mistress Coyle meint, du würdest dich mit medizinischen Vorräten auskennen«, unterbricht mich Mistress Lawson. »Wir haben eine ganze Menge davon herbeigeschafft, und das Mädchen, das mir hilft, ist hoffnungslos damit überfordert, alles zu sortieren.«
    Ich seufze. Wenigstens besser als kochen.
    Ich folge ihr nach draußen in die Abenddämmerung. Wir gehen zu einem Stollen und dann durch eine Reihe von Gängen, bis wir zu einer großen Höhle kommen, in der die wertvollsten Vorräte aufbewahrt werden.
    »Das wird eine Zeit lang dauern«, sagt Mistress Lawson.
    Wir sind den ganzen Abend und bis in die Nacht hinein damit beschäftigt, die Medikamente, Verbände, Kompressen, Bettbezüge, Ätherflaschen, Druckverbände, Stauschläuche, Stethoskope, Kittel, Wasseraufbereitungstabletten, die Gipsschienen, Tupfer, Klammern, Jefferspillen, Heftpflaster und alles, was wir sonst noch haben, zu zählen, auf kleine Häufchen zu sortieren und sie im Lagerschacht zu verteilen, bis hinauf zum Eingang des Haupttunnels.
    Ich wische mir den kalten Schweiß von der Stirn. »Sollten wir das nicht besser gleich aufstapeln?«
    »Noch nicht«, sagt Mistress Lawson. Sie lässt den Blick über die fein säuberlich aufgeschichteten Häufchen schweifen. Sie reibt sich die Hände. Sorgenfalten treten auf ihre Stirn. »Ich hoffe, das ist genug.«
    »Genug wofür?« Ich schaue ihr zu, während sie von einem Stapel zum anderen geht. »Genug wofür, Mistress Lawson?«
    Sie beißt sich auf die Lippe und sieht mich zweifelnd an. »Wie viel weißt du noch von dem, was du über das Heilen gelernt hast?«
    Ich starre sie einen Moment lang an und mein Verdacht nähert sich der Gewissheit. Ohne ein Wort zu sagen, renne ich aus der Höhle.
    »Warte!« ruft sie hinter mir her, aber ich bin schon im Hauptgang, dann draußen vor Höhle, dann mitten im Camp.
    Das völlig verlassen daliegt.
    »Sei nicht wütend«, sagt Mistress Lawson zu mir, nachdem ich jede einzelne Hütte durchsucht habe.
    Die Hände in die Hüften gestemmt, stehe ich da wie eine Närrin und blicke mich im leeren Camp um. Nachdem sie mich geschickt abgelenkt hat, ist Mistress Coyle fortgegangen, und alle anderen sind ihr gefolgt, ausgenommen Mistress Lawson. Auch Thea und die Gehilfinnen sind weg.
    Alle sind fort. Sie haben jedes Fuhrwerk, jedes Pferd und jeden Ochsen mitgenommen.
    Auch Lee ist weg.
    Und Wilf.
    Nur Jane ist noch da, als Einzige.
    Heute ist die Nacht.
    Heute ist die Nacht, in der es passieren soll.
    »Du weißt, warum die anderen dich nicht mitnehmen konnten,« sagt Mistress Lawson.
    »Sie vertraut mir nicht«, sage ich anklagend. »Niemand von euch vertraut mir.«
    »Das ist jetzt nicht die Frage.« Ihre Stimme hat diesen strengen Mistress-Ton, den ich allmählich nicht mehr hören kann. »Jetzt zählt nur noch, dass wir gerüstet sind, wenn sie

Weitere Kostenlose Bücher