Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)
gegangen sind, bleibt er allein im Spritzenhaus zurück. Er blickt sich um. Sein Gefängnis ist kaum mehr als ein alter Holzschuppen mit fest gestampftem Sand- und Lehmboden.
Er versucht, an den Fesseln zu rütteln, aber sie sind fest gebunden. Er kann sich nicht befreien.
Plötzlich öffnet sich die Tür und zwei Buben huschen ins Spritzenhaus. Sie betrachten scheu den gefesselten Amerikaner.
Blackmore erkennt die beiden Buben wieder. Er hat sie zuletzt an dem Cockpit seiner abgestürzten Mustang gesehen. »Help me«, sagt er zu ihnen und rüttelt an seinen Fesseln. Da laufen die beiden Buben erschrocken aus dem Spritzenhaus.
Draußen, auf dem Platz vor dem Spritzenhaus, ertönt ein Kommando.
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42. Das ist doch kein Kriminalfall
»Das ist doch kein Kriminalfall«, sagte Martin Klein, nachdem Dengler ihnen das Ende des Falles Sternberg erzählt hatte.
Sie saßen im Becher: Georg Dengler, Olga, Martin Klein – und etwas später stieß auch Leopold Harder dazu. Harder verblüffte die Runde mit seinen wirtschaftspolitischen Thesen.
»Es gibt keine Krise in Deutschland«, sagte er.
Und er rechnete vor: »Seit 1970 hat sich das Sozialprodukt der Bundesrepublik, also die Summe aller produzierten Waren und Dienstleistungen, mehr als verdoppelt. Aber aus nur wenigen Arbeitslosen 1970 wurden bis 2002 mehr als vier Millionen – in Gesamtdeutschland. 1979 gab es knapp 1,5 Millionen Sozialhilfeempfänger, im Jahr 2000 waren es in Gesamtdeutschland mehr als 4,5 Millionen. Was ist das für eine Wirtschaft, in der die Verdoppelung des Wirtschaftsertrages Armut in die Gesellschaft bringt?«
»Mhm, aber du wirst doch nicht bestreiten, dass wir eine Wirtschaftskrise haben?«, sagte Martin Klein kopfschüttelnd.
»Nun«, sagte Harder, »bloß, weil alle Zeitungen das schreiben, weil alle Nachrichten es wiederholen, weil alle Politiker das sagen, ist das noch lange nicht wahr. Die absoluten Zahlen sprechen da eine ganz deutliche Sprache. Es stellt sich eine ganz andere Frage.«
»Wo ist die Kohle hin«, sagte Dengler.
»Wir beide wissen, wo sie ist«, sagte Klein und deutete auf Dengler.
»Bei den Milliardären«, sagte dieser.
»Genau.«
Olga nahm Georg zur Seite.
»Du siehst furchtbar müde aus«, sagte sie, »vielleicht solltest du mal in Urlaub fahren.«
Sie schien eine Weile zu überlegen: »Was ist mit deiner Chicago-Reise?«
»Da brauche ich noch ein paar Fälle, bei denen ich mehr verdiene als mit dem abgebrochenen Fall Sternberg«, sagte er. Auf das Stichwort »Sternberg« hin sah Harder zu ihnen hinüber.
»Übrigens, Georg«, sagte er, »von dieser Befestigungsfirma habe ich die restlichen Informationen.«
»Das interessiert doch nicht mehr«, sagte Martin Klein, »die haben ihn doch rausgekickt.«
»Doch. Das interessiert mich«, sagte Georg.
»Die führen ein neues Produkt ein.«
»Ja, ein Spielzeug. Man steckt Stäbchen zusammen, ähnlich wie Legosteine«, sagte er.
Nur funktionieren diese Stäbchen leider noch nicht.
»Die Kosten für die Markteinführung sind enorm. Nicht nur die Herstellung, Maschinen, Verpackung, sondern auch Fernsehspots, Prospekte, Aufbau eines Vertriebs. Sie sind dafür bis an die Grenze ihrer Kreditfähigkeit marschiert. Die Firma hat alles auf diese Karte gesetzt. Wenn das nicht klappt, sind sie pleite.«
Deshalb braucht Ilona Sternberg also das Schlosshotel so dringend.
»Es ist nicht mehr mein Fall. Aber vielen Dank für deine Mühe«, sagte Dengler, »ich schulde dir noch einige Biere, fürchte ich.«
Harder lachte und winkte ab. »Kein Problem.« Dann wandte sich Dengler wieder Olga zu.
Er blickte in ihre Augen.
Hoodoo, Hoodoo Man
Make this woman understand
sang Junior Wells in seinem Hinterkopf.
Sie sah ihn an und legte ihre Hand auf seinen Arm.
»Irgendwann kommen die ganz großen Aufträge«, sagte sie, das weiß ich. Aber in Urlaub solltest du jetzt fahren. Ich werde dir das Geld leihen. Du gibst es mir zurück, wenn die großen Aufträge kommen.«
Georg lachte und schüttelte den Kopf.
»Wer weiß, ob die überhaupt kommen.«
Aber er freute sich sehr über ihr Angebot.
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43. Am nächsten Tag
Am nächsten Tag nahm er einen frühen Zug. Er stieg in Karlsruhe in den Eurocity und hatte in Freiburg sofort Anschluss nach Neustadt.
Wieder hätte er sie fast nicht erkannt, als er das Vierbettzimmer betrat und die dort liegenden Frauen erblickte. Seine Mutter lag in dem äußersten Bett neben der Wand. Drei Fernseher hingen an der Wand,
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