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Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)

Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)

Titel: Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Wege, dass er Mühe hat, sich an der Ladepritsche festzuhalten, und er wäre gefallen, wenn ihn eine ebenso hünenhafte Frau nicht gestützt hätte. Er bedankt sich bei ihr mit einem breiten Lachen.
    Vier Musiker springen nun auf die Pritsche und legen sofort los.
    Ein rauer Blues ertönt. Der Sänger liegt einige Töne zu hoch, das Schlagzeug scheint ein Zehntel zu schnell, die Gitarre klingt zu schrill, aber all dies tut der Begeisterung des Publikums keinen Abbruch. Die einzelnen plaudernden Gruppen verwandeln sich von einem Augenblick auf den nächsten in eine kompakte, tanzende Masse.
    Dengler staunt.
    Die Frauen stehen breitbeinig und wiegen sich in den Hüften. Viele beugen sich weit nach vorne, und einige berühren mit den ausgestreckten Händen den Boden. Dabei schwenken sie den Hintern ungeniert hin und her. Und es sind große Hintern dabei. Die Männer stehen hinter ihnen, und einige halten die Frauen an den Hüften fest und bewegen ihre eigenen Hüften im Gleichklang zur Musik und vor allem im Gleichklang mit den Frauen. Hin und wieder zieht ein Mann von dannen und sucht sich eine Position bei einer anderen Frau, oder eine Tänzerin wendet sich ab und streckt ihren Hintern einem anderen Tänzer entgegen, der sich diesem Angebot zumeist sofort und erfreut widmet.
    Dengler hat noch nie einen Tanz gesehen, der so sexuell aufgeladen ist. Es ist nicht nur ein Paar, das dieses kaum verhüllte Begattungsritual auf diesem gottverlassenen Parkplatz vollzieht, es ist eine kompakte Masse von Menschen, und von diesen geht eine solche Energie, eine solche Macht aus, dass sie auch den Stuttgarter Privatdetektiv in ihren Bann schlägt.
    Er sieht eine spindeldürre Frau, die sich aufrichtet, den Kopf verzückt nach hinten geworfen, und sich dann ruckartig im Kreise dreht. Bei jeder Drehung zieht sie den Rock eine Handbreit höher. Um sie herum bildet sich sofort ein Kreis von Tänzern. Zwei weitere Frauen tun es ihr nach. Nun wird der Ring um die Frauen so dicht, dass Dengler die Sicht versperrt wird. Schließlich löst sich der Kreis unter Lachen und Applaus auf.
    Plötzlich ergreift jemand seine Hand. Dengler erschrickt, doch dann erkennt er die schlanke Frau, die ihn gestern Abend in Theresa's Lounge auf die Tanzfläche gezogen hat. Sie trägt heute schwarze Hosen und eine Bluse in der gleichen Farbe. Die Frau lässt seine Hand nicht los, sondern zieht ihn durch die wogende Menge der Tanzenden in die Mitte dieses Hexenkessels.
    Wird sie von ihm verlangen, dass er auf die gleiche Art und Weise mit ihr tanzt? Er betrachtet ihre Hüften. Sie sind viel schmaler als die der meisten Frauen hier. Wie sie sich anfühlen werden? Doch die Unbekannte mustert ihn mit einem Blick, als ob sie prüfen wolle, ob er für diese Art von Tanz überhaupt taugt. Falls es so ist, hat er die Prüfung nicht bestanden, denn seine Tanzpartnerin denkt nicht daran, sich vor ihm zu bücken, sondern tanzt aufrecht ihm gegenüber, schnell und elegant, dass es ihm eine Freude ist, ihr zuzusehen. Sie scheint es zu bemerken und lächelt.
    * * *
    Später saßen sie zu dritt in der schummrigen Bar neben dem Fish Market, die ihr weniges Licht mit den draußen Tanzenden teilte.
    Marie-Louise, seine Tanzpartnerin, arbeitete an der Universität von Chicago. Sie schreibe an einem Buch über den Blues, sagte sie.
    »Und du?«, fragte sie.
    Dengler erzählte von seiner Liebe zu dieser Musik, seit er
    Junior Wells zusammen mit Buddy Guy in einem Konzert mit Eric Clapton in der Londoner Albert Hall zum ersten Mal gesehen hatte. Er erzählt nicht, dass er damals noch Zielfahnder beim Bundeskriminalamt war und nach dem Konzert einen Terroristen festnahm, den er mehrere Jahre lang gejagt hatte. Er hatte gewusst, dass die Zielperson Clapton-Fan war. Und musste dort nur auf ihn warten. So hatte er den Blues auf dem Dienstweg kennen gelernt.
    All das erzählte er nicht.
    Ein Blues-Pilger aus Europa, sagte Marie-Louise bewundernd und sah ihn an.
    Dann erzählte sie, dass der große Muddy Waters in Europa immer große Hallen gefüllt habe, während er in den USA nur in kleinen Clubs aufgetreten war. Die bekannteren Blues- und Jazzmusiker könnten ohne Europa kaum leben, sagte sie, dort werden sie gut bezahlt...
    »... und man behandelt sie wie Künstler und nicht als verdammte Nigger«, sagte eine Stimme, die Dengler bekannt vorkam.
    Er drehte sich um.
    Junior Wells stand hinter ihnen.
    * * *
    »Junior, setz dich zu uns. Wir haben einen Pilger aus Europa hier.«
    »Nur,

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