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Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)

Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)

Titel: Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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jetzt, warum dieser Musiker früher »Little Junior Wells« genannt wurde.
    Auf der Bühne der Royal Albert Hall hatte er größer gewirkt.
    Er dachte an die Zeit zurück, als er noch Zielfahnder beim Bundeskriminalamt war und den Terroristen Roman Greschbach jagte.
    Das Ticket für mein erstes Junior-Wells-Konzert bezahlte das BKA.
    Doch das war lange her. Dengler schien es, wie aus einem anderen Leben.
    Die Band konzentrierte sich nun ganz auf Junior. Sie wiederholte nun die wenigen Takte des Intros ganz leise, und alle sahen auf den kleinen Mann, der immer noch mit geschlossenen Augen vor dem Mikrophon stand. Die Konzentration der Musiker übertrug sich auf das Publikum. Die Tänzer blieben stehen und starrten Junior an. Still wurde es in Theresa's Lounge, fast feierlich.
    Auch Mark, der Fotograf, schien die Welt um sich herum vergessen zu haben. Er stand an die Theke gelehnt und blickte auf den Mann in der weißen Kleidung.
    Junior schlägt die Augen auf.

    I'm broke and I'm hungry

    Nun setzt die Band ein, mächtig, schnell, laut und präzise.
    Junior singt eine Strophe, dann ein kleiner Wink an die Band, und sie wird leise. Der Bassist reicht ihm eine kleine Mundharmonika, Junior wiegt sie kurz in der Hand und bläst dann eine kurze silberne Melodie, die sich über den Rhythmus der Band erhebt, in dieser Höhe verharrt, um dann wieder zurückzufallen und dem Gitarristen für ein Solo Platz einzuräumen. Dann nimmt die Mundharmonika das Thema der Gitarre auf, und für einen kleinen Augenblick kann Dengler den Klang der beiden Instrumente nicht unterscheiden, aber dann teilen sie sich, und Juniors BluesHarp klettert und fällt, wird laut und manchmal sehr leise, aber immer ist dieses kleine Instrument tonangebend für den Sound der Band. Schließlich singt Junior Wells noch eine Strophe, und dann beendet er das Lied.
    In Theresa's Lounge sprangen die Leute auf und applaudierten. Doch die Band spielte schon den nächsten Song.

    Hoodoo Man.
    Hoodoo
    I buzzed your bell this morning, elevator running slow
    I buzzed your bell this morning, take me up to your third floor.
    But I'm holding my hand, Lord I'm trying to make my baby understand

    Jetzt hielt es niemand mehr auf den Plätzen. Alle drängelten sich auf die kleine Fläche vor der Bandstage. Alle tanzten. Ein schmaler schwarzer Arm streckte sich nach Denglers Arm aus, fasste ihn und zog ihn auf die Tanzfläche. Eine hochgewachsene junge Frau in einem weißen Kleid und mit langen bunten Ohrringen lachte ihn an. Dengler grinste zurück. Jemand schubste ihn. Es war so eng. Wie ein Sog, der erst nachließ, als die Band eine Pause einlegte. Die junge Frau lächelte noch einmal freundlich und verschwand, und Dengler trottete an seinen Platz an der Bar zurück, wo auch Mark sich wieder einfand, ebenso nass geschwitzt wie er auch.
    Die beiden Männer grinsten sich an.
    Dengler bickte sich nach der jungen Frau um, die ihn auf die Tanzfläche gezogen hatte, und sah sie an der anderen Seite der Bar stehen. Vertieft in ein Gespräch mit einem jungen Mann mit schwarzer Rappermütze.
    Ob sie wohl noch einmal mit ihm tanzen würde?
    Mark spendierte ihm ein Bier, und sie stießen an und tranken.
    Als die Band wieder einsetzte, lief Dengler zu dem anderen Ende der Bar hinüber, aber die junge Frau zog bereits den jungen Mann mit der Rappermütze zur Tanzfläche. Als sie Denglers enttäuschtes Gesicht sah, lachte sie laut und ihre Lippen formten einen Kuss. Er schlich an seinen Platz an der Theke zurück. Mark, der die Szene beobachtet hatte, schlug ihm auf den Rücken.
    »Das ist der Blues«, rief er ihm ins Ohr. Dann bestellte er bei Theresa eine Flasche Jim Beam.

[ Menü ]
    49. Am nächsten Morgen
    Am nächsten Morgen erinnerte Georg Dengler sich nicht mehr daran, wie er zurück ins Hotel und ins Bett gekommen war. Er wusste noch, dass die Flasche um zwei Uhr leer gewesen war, als die Junior-Wells-Band ihren Set beendet hatte und die Gäste das Lokal verließen. Die meisten waren zu Fuß gegangen, wohnten in der Nachbarschaft, für Mark und ihn hatte Theresa ein Taxi bestellt. Das Letzte, an das er sich erinnerte, war das riesige grüne Fahrzeug, das langsam herangeglitten war.
    Er sah auf die Uhr.
    Elf.
    So spät!
    Mit einem Satz sprang er aus dem Bett. Keine Kopfschmerzen.
    Nur großer Durst.
    Er duschte, zog sich an und fuhr hinunter in den Frühstücksraum im Erdgeschoss des Hotels. Er trank eine Flasche Mineralwasser. Aß nichts. Dann trat er hinaus auf die Straße.

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