Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)
wenn es Jim Beam gibt«, sagte Junior und setzte sich. Ein Kellner brachte im gleichen Augenblick die Whiskeyflasche mit vier Gläsern.
Dengler starrte den Musiker ehrfurchtsvoll an.
Das ist der Mann, dessen Musik seit langem mein Leben mit all seinen Höhen und Tiefen begleitet. Vor allem die Tiefen. Seine Stimme höre ich täglich, noch bevor ich irgendeinen anderen Menschen spreche. Um seine Musik live zu hören, bin ich um die halbe Welt geflogen
Ob er das Junior Wells erzählen konnte?
Skeptisch betrachete Dengler die Whiskeyflasche: schon wieder Jim Beam!
Junior schraubte die Flasche auf und füllte die Gläser.
Sie stießen an.
»Eine deutsche Sitte«, sagte Dengler, und er erzählte ihnen, dass das Anstoßen eine Vorsichtmaßnahme der Ritter gewesen sei. Wenn sie zusammen tranken, hätten sie die Kelche so fest zusammen gestoßen, dass das Bier oder der Wein aus den Kelchen in die anderen übergeschwappt sei. Wenn eines der Biere vergiftet gewesen wäre, dann wäre das Gift auf diese Weise in alle anderen Kelche gelangt. Das Anstoßen sei also nichts anderes gewesen als eine mittelalterliche Methode, sich vor Giftanschlägen der Gäste oder Gastgeber zu schützen.
»Jim Beam ist nie vergiftet«, brummte Junior Wells und trank das Glas aus.
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50. Die nächsten Tage
Die nächsten Tage verbrachte Dengler in aufregender Gleichförmigkeit. Tagsüber zog er, bewaffnet mit einem Reiseführer, durch Chicago,
Mittags setzte er sich an den Sandstrand vor dem Hancock-Tower, zweimal schwamm er sogar weit in den See hinaus. Abends jedoch saß er mit Mark und Marie-Louise in Theresa's Lounge und lauschte Junior Wells' Blues. Nach seinem Konzert schloss Theresa den Club, brachte eine Flasche Jim Beam und setzte sich zu ihnen. Hin und wieder kam Junior Wells zu ihnen und erzählte ihnen Geschichten: von seiner Jugend in den Chicagoer Jugendgangs, als er 1970 zusammen mit Buddy Guy als Vorgruppe der Rolling Stones durch die Welt tourte, von seiner Filmrolle in Blues Brothers II.
Wenn sie das Lokal verließen, teilte sich Georg mit Mark, der in der Nähe der Endstation Kimball der brown line wohnte, ein Taxi. Sie umarmten Marie-Louise, die ein Cab in Richtung Universität nahm, wo sie in einem Apartment wohnte, das der Hochschule gehörte.
Als sie am vorletzten Abend von Denglers Aufenthalt vor Theresa's Lounge auf die Taxis warteten, sagte Marie-Louise zu ihm, sie wolle, dass er mit ihr fahre. Sie sah ihn dabei nachdenklich an. Und abwartend. Dengler wurde von dieser Einladung überrascht. Das erste grüne Cab schnurrte heran, und Mark klopfte ihm lächelnd auf die Schulter. Dann hielt er ihr die Tür auf. Marie-Louise glitt auf den hinteren Sitz.
»Nun mach schon, du Glückspilz«, sagte Mark und hielt weiter die Tür auf. Dengler setzte sich vorsichtig neben Marie-Louise, und sie griff nach seiner Hand. Von außen drückte Mark vorsichtig die Wagentür zu.
Sie wohnte in einem typisch schmalen dreistöckigen Chicagoer Stadthaus nahe der Universität.
»Pst!« Sie legte den Zeigefinger an die Lippen.
Sie drehte ihm den Rücken zu und schloss die Türe auf. Im Hausflur zog sie ihre Schuhe aus, und vorsichtig stiegen sie die Treppe hinauf zu ihrer Wohnung im ersten Stock. Sie öffnete die Wohnungstür und ließ ihn eintreten. Sie standen in einem langen Flur. An den Wänden hingen Bilder, Zeichnungen, gerahmte Fotos von Musikern und ein Gemälde, das Martin Luther King darstellte, die Hände zum Himmel erhoben. Sie zog ihn weiter in ihr Badezimmer.
»Zieh dich aus«, flüsterte sie ihm zu. Sie selbst entledigte sich ihrer Hose, ihrer Bluse und ihrer Wäsche mit atemberaubender Schnelligkeit. Dengler hatte sein Hemd noch nicht aufgeknöpft, als sie nackt vor ihm stand.
Sie lehnte sich an das Waschbecken.
»Gefalle ich dir?«
* * *
Er kann nur nicken. Sie ist hochgewachsen, und sie steht da wie eine ägyptische Königin. Durch das Badezimmerfenster fällt etwas Mondlicht auf die dunkle Haut ihrer Schultern und lässt diese Stelle in einem eigentümlichen Silberglanz erscheinen. Ihre Brüste liegen im Schatten dieses Lichts, das nur deren Konturen preisgibt. Dennoch sieht Dengler ihre beiden Knospen deutlich vor sich, noch dunkler als ihre dunkle Haut, und ihm ist, als leuchten sie trotz ihrer fast schwarzen Farbe.
Sie genießt seine Überraschung. Und obwohl sie ihn ansieht, ist ihr Blick auch selbstvergessen – ihm zugewandt und zugleich sich selbst.
Dengler rührt sich nicht. Zeige- und
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