Das dunkle Universum 04 - Evolution der Leere
der Ysidro-Wache mochten in dieser Sache vielleicht keine übermäßigen Anstrengungen unternommen haben (und warum sollten sie auch?), allein, wenn er irgendwelche Spuren hinterlassen hatte, dann würde Argain sie finden. Gut möglich auch, dass Constatin auf seinem Weg zum Blue Fox irgendjemandem aufgefallen war. Zumindest hoffte Edeard, dass Argain herausbekam, wo in etwa er verschwunden war, wenigstens in welcher Straße. Dann konnte er in der betreffenden Umgebung die in die Stadtsubstanz eingebettete Erinnerung überprüfen. Etwaige Lücken würden dabei nicht minder belastend sein, als zu sehen, wie Constatin von Mitgliedern des Nests verschleppt worden war.
Seine zweite Möglichkeit bestand in den anderen Vermissten. Zuerst waren Golbon und Jaralee leicht irritiert gewesen. Es war ein etwas befremdliches Ansinnen, sie zu bitten, nach irgendwelchen Verbindungen zwischen in den letzten paar Jahren verschwundenen Personen und den Geschäften des Nests zu suchen, doch kurz darauf sah man sie nach Querverweisen fahndend über Aktenbergen brüten. Auf diesem Gebiet waren sie einsame Spitze, und ganz offensichtlich schienen sie rasch Blut geleckt zu haben und sich zu freuen, dass die Jagd wieder begann. Sie sprachen sogar davon, andere Angehörige des alten Komitees wieder ins Boot zurückzuholen.
Blieben noch die beiden letzten Anhaltspunkte. Das waren die, denen er persönlich nachgehen musste. Wenig überraschend benötigte er für die Bestätigung des ersten nicht länger als drei Stunden. Schließlich war ein Captain der Wache ein vielbeschäftigter Mann. Besonders Dinlay, der seine Tage mit Besprechungen und Inspektionen und Terminen mit Stadtprominenzen verbrachte und es sich darüber hinaus nicht nehmen ließ, noch dreimal die Woche höchstselbst mit seinen Konstablern auf Streife zu gehen. Alldieweil seiner Frau tagsüber eine Menge Zeit auszufüllen blieb ...
Mit geschlossenen Augen schwebte Edeard langsam in der Mitte der Beförderungsröhre dahin, während er mit Gealee Schritt hielt. Sie bewegte sich durch die Hauptstraßen des Lillylight-Distrikts, schlenderte in Geschäfte hinein und wieder hinaus. Der halbe Vormittag war für ein Treffen mit ihren Freundinnen in einem Kaffeehaus draufgegangen, für Klatsch und Tratsch und die gegenseitige Bewunderung der Morgeneinkäufe und -schnäppchen. Edeard verzichtete darauf, seine Fernsicht zu benutzen. Stattdessen zog er die Eindrücke und Bilder direkt aus der Stadtsubstanz; er spürte das Gewicht ihrer vorantrippelnden Stöckelschuhe, nahm den Farbfleck ihrer leuchtorange-schwarzen Damenjacke inmitten des Menschengewimmels wahr, hörte ihre gegenüber den Verkäuferinnen scharf werdende Stimme, roch den Duft ihres die Luft erfüllenden Parfüms. Dann, kurz vor Mittag, begab sie sich über den Steen Canal nach Abad, wo sie in einem der kleinen, zylinderförmigen Häuschen hinter dem herrschaftlichen Wohnsitz der Familie Jarcon verschwand. Es war das Haus des zweiten Hufschmieds der Familie, eines ungeschlachten, dreiundzwanzig Jahre alten Burschen mit vollem, tiefschwarzem Haar, das ihm lang über die Schultern hinabfiel. Offensichtlich verkrallten sich Gealees Finger nur zu gern in diesem Haar, während ihr geiler Galan sich über ihr abrackerte, auf dem Bett, auf den Wohnzimmerdielen, auf den heiklen Treppen ...
»Trauerst du schon deinen Flitterwochen nach?«, fragte Edeard.
Gealee schrak weder zusammen, noch tat sie überrascht, als er aus den Schatten einer tiefen Mauernische in der Spinwell Lane hervortrat, einem düsteren, schmalen Durchgang von wenigen Metern Breite an manchen Stellen. Sie benutzte ihn als diskrete Abkürzung zum Steen Canal zurück.
Stattdessen richtete sie gelassen ihren breitkrempigen Hut. »Hat's dir Spaß gemacht, zuzusehen?«, gab sie zurück.
»Nicht wirklich. Dinlay ist einer meiner ältesten Freunde.«
»Und ich bin seine Frau. Und in dieser Hinsicht bin ich ziemlich hingebungsvoll. Er braucht sich über nichts zu beklagen, das versichere ich dir.«
»Hat Tathal dir dazu geraten? Hattest du überhaupt eine Wahl?«
Ihre Lippen verzogen sich zu einem Schmollmund, und sie sah ihn mit listigem Blick an. »Sehr schlau«, erwiderte sie seufzend. »Aber andererseits hab' ich auch nie gedacht, dass du allein durch rohe Gewalt zum Waterwalker geworden bist. Woher weißt du das?«
»Tathal war über meine Ambitionen bezüglich des Bürgermeisteramts im Bilde. Die Leute, die Dinlay wegen meiner Wahlmannschaft angesprochen
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