Das dunkle Universum 04 - Evolution der Leere
erspart, sein kurzes Leben war immer voller Glück und Fröhlichkeit gewesen.
Edeard gab sich alle Mühe, nicht zu weinen, während seine Dynastie feierlich Abschied von ihm nahm. Schließlich wurden er und Kristabel sanft von dritten Händen hochgehoben und das Haupttreppenhaus hinuntergetragen. Hunderte ihrer Familienmitglieder standen dort über die Geländer gelehnt und jubelten ihnen zu.
»Da haben wir deinen guten alten Onkel Lorin am Ende doch tatsächlich hier abserviert, was?«, sagte er zu Kristabel, während er all den verschwommenen Gesichtern zuwinkte.
»Dafür danke ich der Herrin«, entgegnete sie.
Am Anlegesteg der Zikkurat am Great Major Canal wartete die größte Familiengondel auf sie. Sie nahmen auf der mittleren Sitzbank Platz und sahen sich um. Der ganze Kanal war von Menschen gesäumt, die gekommen waren, um dem Waterwalker auf seinem letzten Weg alles Gute zu wünschen. Sie winkten und klatschten und ließen Hochrufe erschallen, als er und Kristabel zu der sehr kurzen Reise hinunter zu Eyries Hauptanlegestelle aufbrachen. Sie alle waren in ihren Festtagsstaat gekleidet und verwandelten den Weg in eine glanzvolle, farbenüberflutete Allee.
»Erinnerst du dich noch an die Blumenboote beim Fest des Geleits?«, fragte er seine Frau. »Die waren damals genauso farbenprächtig. Das war immer so ein schöner Tag. Ein Jammer, dass es den nicht mehr gibt.«
»Es läge nicht mehr viel Sinn darin, jetzt, da die Skylords wieder zu uns kommen«, erwiderte Kristabel. »Und wie sollte ich mich nicht daran erinnern? Das ist der Tag, an dem wir uns begegnet sind. Schon vergessen?«
»Mirnathas Entführung ...«, murmelte er, sich nur noch an ein paar wenige Einzelheiten dieses Tages entsinnend. Er hatte seit Jahrzehnten nicht mehr an ihn gedacht - wahrscheinlich länger. »Bise hielt sie im House of Blue Petals fest.«
»Wir haben nie herausgefunden, wer genau sie verschleppt hat, und man hatte sie in Fiacre festgehalten.«
Owain, wusste er, Owain und seine Clique befahlen Mirnathas Entführung. Aber das konnte ich Kristabel nie sagen. Sonst hätte ich ihr auch erklären müssen, was am Ende aus Owain und Bise und — Herrin, vergib mir — Mistress Florrel geworden ist. Und wieso ihre Beseitigung notwendig war. Was würde sie sagen, wenn sie von dem Geheimnis dieses Universums erfahren würde? Was würde sie tun? Was würden die anderen tun?
»Wach auf«, tadelte ihn Kristabel. »Wir sind da.«
»Ich hab' nicht geschlafen«, protestierte er, während die Gondel am Anlegesteg festgezurrt wurde. Hoch über dem Kanal stachen die schiefen Türme von Eyrie in den wolkenlosen Sommerhimmel. Die anderen Geleitsuchenden waren bereits zu ihren Plätzen auf den oberen Plattformen hinaufgebracht worden. Mattuel und einige Angehörige der dritten Generation von Verwandten standen schon oben auf der Straße, schauten herab und machten ihre dritten Hände bereit, um Edeard und Kristabel emporzuheben. Sie alle waren der Gondel hinterhergeeilt, über das Wasser - ein jeder von ihnen war stark genug dafür.
Die Straßen zwischen den Türmen waren brechend voll von Repräsentanten aus der ganzen Welt, die erschienen waren, um dem Waterwalker ihre Ehre zu bezeugen und Abschied von ihm zu nehmen. Auch sie jubelten und winkten. Auf den Stufen der Kirche der Herrin stimmte Makkathrans Novizinnenchor ein Lied an. Die Strophe und der Refrain wurden von der gesamten Stadt aufgegriffen.
Als der Gesang weithin in Makkathran erschallte, bat Edeard Mattuel, einen Augenblick innezuhalten, damit er ein letztes Mal der lieblichen Musik lauschen konnte. Es war Dybals Zartbitt'rer Flug, die letzte und schönste Komposition des alten Musikanten. Ebenso schlicht wie tief bewegend, war sie, seit er vor etwa achtzig Jahren das Geleit eines Skylords empfangen hatte, zu so etwas wie einer Hymne geworden.
»Endlich gewürdigt«, murmelte er, als das Lied endete. Überall um ihn herum neigten Menschen ihre Häupter. Standen still da in der traditionellen Minute des Schweigens.
»Wie dem armen Dybal das gegen den Strich gehen muss«, bemerkte Kristabel amüsiert.
»Ja. Wenn wir da sind, muss ich ihm unbedingt davon erzählen.«
Freunde und Weggefährten standen unter denen, die den Turm selbst umringten. Unter Mühen winkte Edeard schwach einigen bekannten Gesichtern zu. Salranas war nicht darunter. Er hatte wegen ihr noch immer ein schlechtes Gewissen, auch wenn es sich in den verstrichenen Jahrhunderten inzwischen etwas gelegt hatte.
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