Das dunkle Universum 04 - Evolution der Leere
spürte, wie sein Körper mit der Macht, welche auch immer die Türme entfesselten, zu verschmelzen begann. Sein Geist jedoch blieb unberührt, wurde, wenn überhaupt, nur stärker, seine Gedanken klarer, als sie es seit Jahrzehnten gewesen waren. Seine Wahrnehmung explodierte, umfing im nächsten Augenblick die ganze Stadt.
»Ich habe ein letztes Geschenk für euch«, sprach er zu den funkelnden verzückten Bewusstseinen weit unten. »Nutzt es mit Bedacht.«
Und dann zeigte er ihnen, wie man zurückreiste in seinem eigenen Leben, um an einem selbst gewählten Punkt noch mal zu beginnen.
»Deshalb also haben wir immer gewonnen?«, fragte Macsen lachend.
Edeards Seele strahlte vor Glück. Sich neben ihm in die gewaltigen Lichtfluktuationen erhebend, die den Körper des Skylords durchwogten, war Macsens Spektralform zu seinem wohlgestalteten jugendlichen Selbst zurückgekehrt.
»Nicht immer«, beteuerte er seinen Freunden. »Und nicht mehr seit zweihundert Jahren. Ich schwöre bei der Herrin, dass eure Leistungen hier eure eigenen sind.«
»Was sie wohl damit anfangen werden?«, fragte Dinlay, während er auf die Welt herabblickte, die unter dem blendenden Schein ihrer sich auflösenden Körper mehr und mehr dahinschwand.
»Das Beste, was sie können, natürlich«, sagte Kanseen.
»Du hast das Richtige getan«, versicherte ihm Kristabel.
Weit warf Edeard seine Wahrnehmung hinaus, vernahm den Gesang, der ihn aus den Sternennebeln rief. Sie schienen direkt zu ihm zu sprechen, von Verheißungen, so herrlich, dass des Staunens und der Freude kein Ende zu sein schien. »Sie sind so schön«, rief er aus. »Und bald werden wir dort sein.«
8
Geistesabwesend mampfte Oscar an seinem Schoko-Hefezopf vor sich hin, während er die Astrogationskarten durchsah, die ihm sein U-Shadow aus diversen Files extrahierte. Auf der anderen Seite seiner Exosicht-Displays durchlief Liatris McPeierl soeben mit nacktem Oberkörper ein Krafttrainingsprogramm, sein perfekt geformter Brustkorb glänzte vor Schweiß. Ein Anblick, der nicht nur ein bisschen ablenkend war; Oscar jedenfalls fand es schwierig, sich bei dem geschmeidigen Muskelspiel dieses nur ein paar Meter von ihm entfernten Adonis auf transgalaktische Navigation zu konzentrieren.
Liatris beendete sein Programm und schnappte sich lässig ein Handtuch. »Ich bin dann mal duschen«, verkündete er und wackelte mit dem Hintern in Oscars Richtung, während er eine gespielte Geilheit ins Gaiafield durchsickern ließ.
Oscar biss sich in seinem Kuchen fest, wobei er dummerweise eine geballte Ladung Puderzucker einatmete und ungebremst loshustete. Rasch kippte er einen Schluck Tee hinterher, um die Kehle freizubekommen. Als er die Tasse wieder absetzte, war Liatris verschwunden, und von der anderen Seite der Hauptkabine des Schiffs her lächelte Beckia ihn mitleidig an.
»Was?«, raunzte er.
»Liatris ist zu Hause in festen Händen«, bemerkte sie.
»Zu Hause ist weit weg.«
»Du bist ein gottloser alter Schweinepriester.«
»Und ich bin stolz drauf. Willst du mal meine Scorekarte sehen?«
»Du besitzt überhaupt keine Würde, hab' ich recht?«
Er schenkte ihr ein wollüstiges Grinsen und befahl seinem U-Shadow, Daten über sämtliche bisher bekannten, tatsächlichen und vermeintlichen transgalaktischen Flüge aus der Unisphäre zu ziehen. »Eine meiner Seiten, die mich so liebenswert machen.«
»An dir gibt es liebenswerte Seiten?«
In dem Moment stiegen in der Mitte der Kabine Tomansio und Cheriton durch die Luftschleusenkammer empor. Beide trugen Togaanzüge mit ziemlich extravagant changierendem Oberflächenschimmer, und ihre Gaiamote-Emissionen waren auf null heruntergedämpft. Das perfekte Erscheinungsbild zweier loyaler Viotia-Bürger, die nichts, aber auch gar nichts mit Living Dream am Hut hatten.
»Da draußen geht's immer noch drunter und drüber«, beklagte sich Cheriton.
Seit einigen Wochen beobachtete das Team jetzt schon die Versuche von Viotias Regierung, die normalen Dienste wieder ans Laufen zu bringen und mit den durch die Invasion verursachten Schäden fertig zu werden. Alles Bestreben hatte jedoch nicht verhindern können, dass zwei Wochen nachdem sich die Ellezelin-Truppen aus der Hauptstadt Ludor zurückgezogen hatten, ihr Premierminister gelyncht worden war. Es war eine unschöne Sache gewesen, wie der Mob das Nationale Parlamentsgebäude gestürmt hatte, während die Wachen sich damit begnügten, beiseitezutreten und der natürlichen
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