Das dunkle Universum 04 - Evolution der Leere
hatte ganz recht: Die Leere würde über jede Schlechtigkeit obsiegen.
Und so war sie, als ihre Kapsel am Konstruktionsgelände ankam, ohne Sorge und wie im Taumel von der Aussicht auf den bevorstehenden Flug. Alles, alles, dem sie ihr Leben gewidmet hatte, war im Begriff sich zu vollenden.
Geschlagene sieben Stunden musste die Kapsel außerhalb der Kraftfeldkuppel über dem Areal ausharren, in eine dreihundert Meter hohe Matrix gestapelt, die an einen Schwarm metallischer Heuschrecken gemahnte, allesamt auf Landefreigabe wartend. Als sie endlich vor einem der Materialzwischenlager aufsetzten, luden Bots ihre Container auf einen Gepäckschlitten, der sich anschließend rasch vom Boden erhob und davonglitt. Mareble und Danal mussten durch das Gebäude und an einer Phalanx von Scannern und Sensorfeldern vorbei, bevor sie schließlich unter der Kuppel herauskamen, die den Abendhimmel hinter einem blassvioletten Nimbus verhüllte. Lange Bänder von Gepäckschlitten sirrten auf dem Weg zu den Schiffen, wo sie entladen werden sollten, durch die Luft, sich dabei verästelnd und mäandernd wie das Nebenarmsystem eines dunklen Stroms. Als sie zu dem beängstigend komplizierten Netz sich geschwind bewegender Rinnsale hinaufblickte, machte sie sich insgeheim darauf gefasst, ihren privaten Container niemals wiederzusehen.
Unterhalb der Gepäckschlitten schwebte eine Schicht Solido-Wegweiser über den breiten Boulevards zwischen den Schiffen. Sie trugen Hinweistafeln und durchbohrten die Luft mit blitzenden Pfeilen. Ergänzend erhielt ihr U-Shadow eine Reihe Anweisungen, die sie zur Einstiegsrampe 13 der Macsens Traum bringen würden. Sie und zwei Millionen andere. Worauf diese Anweisungen hinausliefen, war: Schließ dich der dreihundert Meter breiten Menschenkolonne auf dem Boulevard an und trotte fünf Stunden geradeaus weiter.
Mit Einbruch der Dunkelheit riefen die Rümpfe der gigantischen Schiffe, die sich über ihr hinwegbogen, zunehmend den unvermeidlichen Eindruck hervor, in einem endlosen, metallischen Canyon gefangen zu sein. Die Regrav-Felder, welche die Schiffe hielten, pulsierten sonderbar und verursachten unangenehme Nebenwirkungen in ihrem Magen. Es gab keine Toiletten. Nichts zu essen oder zu trinken. Nirgends einen Platz, wo man sich einen Moment hinsetzen und ausruhen konnte. Das ständige Gemurmel und Gemurre im Verein mit dem Weinen erschöpfter Kinder um sie herum war zermürbend und bedrückend. Allein das Gaiafield mit seinem geteilten Gefühl von Erwartung ließ sie den Mut nicht verlieren.
Fünf Stunden waren sie neben einer Gruppe von Frauen eingezwängt, deren genetische Reprofilings sie zu amazonenhaften Zwanzigjährigen machten. Sie trugen T-Shirts mit aufgestickten Slogans: Dinlays Liebestrupp. Böser als Hilitte. Heiß, heißer, Dinlay.
Mareble und Danal wechselten einen spöttischen Blick und verschlossen vor den zotigen Sprüchen und dem dreckigen Gelächter die Ohren. Es war schon erstaunlich, wie manche Leute die Erfüllung interpretierten, die die Pilgerfahrt ihnen brachte.
Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit in einer honiousartigen Vorhölle, kamen sie am unteren Ende von Rampe 13 an. Nach all dem Chaos, das sie durchgemacht hatte, stieß Mareble einen leisen Schluchzer der Erleichterung aus.
»Es ist wahr«, sagte sie flüsternd zu Danal, während sie langsam die Schräge hinaufzugehen begannen. Die Dinlay-Girls folgten ihnen, aber hier war das Gedränge nicht mehr so schlimm. Auf dem Boulevard hinter ihr und unter ihr schleppten die Menschen sich allerdings noch zu Tausenden dahin. Sie war jetzt in jeder Hinsicht über sie erhaben.
Danal ergriff ihre Hand und drückte sie fest, während sein Geist eine Woge der Dankbarkeit verströmte. »Danke«, sagte er zu ihr. »Ohne dich hätte ich es niemals geschafft.«
Einen flüchtigen Moment lang dachte sie an Cheriton und an das kurze und heftige tröstliche Intermezzo mit ihm nach Danals Verhaftung - wie er ihr die innere Kraft gegeben hatte, diese Zeit der Not und der Desorientiertheit zu überstehen. Irgendwie verspürte sie nicht das geringste schlechte Gewissen. Schließlich hatte ja sogar der Waterwalker gesündigt, als er versucht hatte, die Welt an seine abwegige Vorstellung von Einigkeit zu binden. Doch er war triumphierend daraus hervorgegangen.
»Aber wir haben's geschafft«, sagte sie. »Ich liebe dich. Und wir werden im wahren Makkathran aufwachen.«
»Ooch, wie herzallerliebst«, sagte eine laute, belustigte
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