Das dunkle Universum 1 - Traeumende Leere
Higher-Kultur, die ihre hart erkämpfte Unabhängigkeit erdrückte.
Araminta blieb heute länger hier als sonst. Lange nachdem sie sich normalerweise auf den Heimweg gemacht hätte, saß sie noch immer da. Die Sonne neigte sich bereits dem Horizont zu und tauchte die Wolken in ein natürliches Gold-Rosarot, als die dunstige Mesosphäre des Planeten die ersterbenden Strahlen des Klasse-K-Sterns zerstreute. Hell erstrahlten auf dem Cairns die Ozeanlastkähne, die langgestreckten Rümpfe mittels Regravturbinen knapp übers sanft wogende Wasser gehoben, während sie vorsichtig aus den Docks herausmanövrierten und Kurs auf die offene See und die Inseln dahinter nahmen.
Der Anblick der Stadt, wie er sich in Momenten wie diesem bot, hatte für sie immer etwas ausgesprochen Beruhigendes; ein riesiges Konstrukt aus menschlicher Aktivität, das effizient vor sich hin brummte. Eine Bestätigung dafür, dass Zivilisation tatsächlich funktionierte, dass nichts und niemand ihr das Wesentliche unter den Füßen wegtreten konnte. Und jetzt, endlich, konnte sie damit anfangen, aktiv daran teilzunehmen, konnte beginnen, sich ein eigenes Leben aufzubauen.
Die Files der Immobilienvermittlungen drifteten langsam über ihr Exoimage-Display und erlaubten ihr, in weitaus detaillierterer Weise, als sie sich bisher die Mühe gemacht hatte, zu planen, was man mit ihnen alles anstellen könnte. Ohne das nötige Geld waren dergleichen Überlegungen nichts als Tagträume gewesen, aber an diesem Abend nahmen sie zum ersten Mal Gestalt an. Einem Teil von ihr machte dieser Gedanke Angst. Wenn sie jetzt Mist baute, würde sie für die nächsten Jahrzehnte wieder als Kellnerin an irgendwelchen Restauranttischen stehen. Sie hatte nur einen einzigen Wurf. Dreiundachtzigtausend waren ein ordentliches Sümmchen, aber sie musste es so anlegen, dass es für sie arbeiten konnte. Trotz aller Bedenken freute sie sich auf die Herausforderung. Sie markierte den Beginn ihres wirklichen Lebens.
Die Sonne versank inmitten eines warmen, scharlachroten Leuchtens. Es schien perfekt zu Aramintas Stimmung zu passen. Schon füllten die ersten Gäste des Abends das Restaurant. Sie hinterließ ein großzügiges Trinkgeld und ging auf der Treppe nach unten. Normalerweise wäre sie jetzt zum Nik’s zurückgeschlendert, hätte unterwegs vielleicht ein paar Besorgungen gemacht und dann ihren Trikepod nach Hause gebracht. Aber an diesem Tag war überhaupt nichts normal. Musik dröhnte durch die Bar. Menschen lehnten an der Theke, orderten Drinks und Aerosole. Araminta schaute an sich herunter. Sie trug einen zweckmäßigen Rock, marineblau, der ihr bis über die Knie reichte, und ein weißes Top mit kurzen Ärmeln, das aus einem speziellen selbstreinigenden Stoff gefertigt war, schließlich passierte bei der Arbeit hin und wieder das ein oder andere Malheur. Alle um sie herum hatten sich die größte Mühe gegeben, sich für den Abend herauszuputzen. Im Vergleich zu ihnen kam sie sich ein wenig mittelmäßig vor.
Andererseits, wer sind sie schon, sich über mich das Maul zu zerreißen?
Es war ein befreiender Gedanke. Ein Gedanke, wie sie ihn nicht mehr gehabt hatte, seit sie Langham verlassen hatte. Damals, als die Zukunft noch voller Möglichkeiten gewesen war, zumindest in ihrer Phantasie.
Araminta schlängelte sich durch bis zur Theke und betrachtete die Bierzapfhähne und Flaschen. »Einen Green Fog, bitte«, sagte sie zu dem Barmann. Sie erntete ein leicht irritiertes Lächeln, dessen ungeachtet mixte er ihn tadellos. Sie trank ihn langsam, darauf achtend, dass ihr der rauchende Dunst nicht in die Nase stieg. Ein Niesen würde auch den letzten Rest an Glaubwürdigkeit buchstäblich hinwegblasen.
»Ist ’ne Weile her, dass ich jemand einen trinken gesehen hab«, sagte eine Männerstimme.
Sie drehte sich um und blickte den Mann an. Er war auf jene akkurate Art gutaussehend, wie es jeder heutzutage war, mit perfekt angepassten Gesichtszügen, was, wie sie annahm, bedeutete, dass er wenigstens ein paar Rejuvenationsbehandlungen hinter sich hatte. Wie der Rest der Barkundschaft hatte auch er sich in Schale geworfen, in seinem Fall in ein schlichtes grau-purpurfarbenes Togajackett, das ihn mit einem sanften Schimmer umhüllte.
Und er ist nicht Laril.
»Hatte schon länger keinen Freigang mehr«, gab sie zurück. Dann musste sie über ihre eigene Antwort grinsen. Hatte sie das gerade gesagt?
»Darf ich Ihnen noch einen bestellen? Übrigens, ich heiße
Weitere Kostenlose Bücher