Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
Lösegeld. »Ich weiß, wo sie ist«, verkündete er.
»Wo?«, wollte Dinlay wissen.
»Nein, wie?«, fragte Macsen scharfsinnig.
Edeard sah ihn ruhig an. »Die Stadt hat sich erinnert.«
»Die Stadt … hat sich erinnert?«
»Ja.«
Macsen warf Kanseen und Boyd einen mehr als zweifelnden Blick zu. »Ah-ha.«
»Sie befindet sich unter einer Fischräucherei auf der Layne Street in Fiacre. Die Familie benutzt zwei Kellerebenen unterhalb des Gebäudes, um ihren Fisch zu räuchern, aber darunter gibt es noch eine weitere Etage. Vier Räume. Die haben sie übernommen.«
»Sie?«
»Zehn Mann, vielleicht mehr. Nicht mal ich kann sie mit Fernblick von hier aus genau erkennen.«
Begeistert klatschte Boyd in die Hände. »Genial. Wir haben sie!«
»Nicht ganz. Man braucht nicht über zehn Leute, um eine Sechsjährige daran zu hindern, aus einem unterirdischen Gefängnis zu entfliehen. Und sie wissen, dass wir in der Lage sind, uns zu tarnen.«
»Sie werden sie töten«, sagte Dinlay niedergeschlagen. »Es sind zu viele, um sie zu überrumpeln.«
»Schätze, da hast du recht«, entgegnete Edeard.
»Also, was machen wir?«, fragte Kanseen.
Edeard lächelte. »Sie überrumpeln.« Über Longtalk setzte er sich mit Ronark auf der Wache in Verbindung und bat ihn, einige Waffen herüberbringen zu lassen.
»Bist du sicher, dass sie noch lebt?«, fragte Macsen.
Edeard lächelte abermals. »Ja. Sie lebt.«
»Endlich ein paar gute Nachrichten. Die Stadt ist nicht gerade in Feierlaune, Edeard. Eigentlich sollte heute ein Fest stattfinden. Inzwischen weiß jeder über die Sache Bescheid, und es gibt jede Menge Scharfmacher, die dir die Schuld an allem geben.«
»Entzückend.«
»Die Pythia wird den Festgottesdienst mit einem Appell, Mirnatha wieder freizulassen, beginnen«, sagte Dinlay. »Der ist am Mittag, also in zehn Minuten. Willst du es ihr nicht vielleicht vorher sagen?«
»Herrin, nein. Noch haben wir Mirnatha nicht.«
Kanseen schüttelte den Kopf und gab den Versuch auf, etwas mit Fernsicht zu erkennen. »Herrin, ich kann von hier aus kaum das Räuchereigeschäft wahrnehmen. Geschweige denn, was darunter ist.«
»Sie ist dort«, versicherte Edeard ihnen.
»Wie lautet also der Plan?«, fragte Dinlay. »Wir könnten das Gebäude umstellen. Wenn erst mal jeder weiß, dass sich Mirnatha darin aufhält, können die Banden gar nichts mehr tun. Dann müssen sie sie gehenlassen.«
»Ach was«, erwiderte Edeard. Er führte sie den Gang hinunter, verfolgte die Fußtritte des Entführers zurück. »Sie werden sie nicht einfach gehenlassen, nur weil die Sache den Leuten missfällt. Diese Männer dort wurden aus dem Grund ausgesucht, weil sie bis zum bitteren Ende kämpfen. Typen, die von uns bereits hopsgenommen worden sind. Leute wie Eddis, die nichts mehr zu verlieren haben. Hier geht’s nicht um das Mädchen, das ging es nie. Es geht um die Abstimmung morgen und darum, wie sie das Ergebnis erzielen, das sie brauchen.«
Gerade als sie am Haupttreppenhaus ankamen, trat Mistress Florrel aus der Tür des Salons.
»Wo wollt Ihr hin?«, verlangte sie von Edeard zu wissen. »Weglaufen wahrscheinlich, nehme ich an. Na, dann wünsch ich mal gute Reise.«
»Tatsächlich sind wir im Begriff, sie zurückzuholen«, erwiderte Dinlay hitzig.
Edeard zuckte zusammen.
»Ihr seid was ?« Sie zitterte förmlich vor Empörung.
Edeard räusperte sich und sah seine hartnäckigste Widersacherin mit ruhigem Blick an. »Ich weiß vielleicht, wo sie ist. Und ich werde meine Pflicht tun und sie nach Hause bringen. Das wollen wir doch alle, oder etwa nicht?«
»Ihr werdet nichts dergleichen tun. Falls Ihr wirklich wisst, wo sie ist, werdet Ihr umgehend den Bürgermeister informieren. Ein Milizregiment wird meine arme, liebe Mirnatha zurückholen. Die wissen genau, wie man mit jemandem, der es wagt, einen meiner Abkömmlinge anzufassen, umzugehen hat.«
»Bei allem Respekt, Mistress Florrel, das wissen sie nicht. Ich werde sie unversehrt wieder zurückbringen. Ihr habt mein Wort.« Edeard drehte sich zum oberen Ende der Wendeltreppe um.
»Kommt hierher zurück, Junger Mann«, sagte die Mistress mit ruhigem Nachdruck.
Edeard konnte es nicht fassen. Dank Dybals Erkennungsgabe registrierte sein Geist plötzlich ihren Longtalk, mit dem sie sich in sein Bewusstsein einschleichen wollte, den sanften Zwang, den sie auf ihn ausübte, damit er so, wie sie es ihm nahegelegt hatte, zu ihr herüberkam. Sie versuchte ihn zu
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