Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
Kinderzimmer zurück, seine Gedanken ein einziger Aufruhr.
»Was ist los mit dir?«, fragte Dinlay.
»Warum tun sie das?«, fragte Edeard. Einmal mehr sah er sich in dem Zimmer um. Noch nie hatte er so viel Rosa auf einem Haufen gesehen.
»Um dich fertigzumachen«, entgegnete Boyd.
»Das war eine rhetorische Frage. Sie wollen, dass ich nach Owestorn rauskomme, weil sie glauben, sie können mich töten, wenn ich ganz auf mich allein gestellt bin, richtig?«
»Ich jedenfalls würde es so machen«, sagte Macsen und ignorierte den wütenden Blick, den Kanseen ihm zuwarf. »Die haben da draußen bestimmt eine kleine Armee. Selbst wenn wir nur zehn Minuten entfernt sind, dürfte es lange, bevor wir dich erreichen können, vorbei sein. Wahrscheinlich werden sie sich uns dann zum Nachtisch vornehmen.«
»Aber er hat gesagt, das würde uns zu Märtyrern machen. Es wäre unserer Sache nur dienlich. Vielleicht sogar so sehr, um die Abstimmung morgen zu gewinnen.«
»Wer hat das gesagt?«, wollte Dinlay wissen.
»Das wäre also nicht so günstig«, gab Macsen zu. »Und Mirnatha brächte es auch nicht zurück.«
»Auf diese Weise wollen sie dich zum Schuldigen machen«, sagte Boyd. »Wenn es keine überlebenden Zeugen gibt, werden sie es so aussehen lassen, als hättest du irgendetwas Unbesonnenes versucht. Die Stadt wird glauben, dass du für den Tod des Mädchens verantwortlich bist; schließlich hast du ja das Lösegeld bei dir gehabt. Kein Verbrecher, der noch alle seine Sinne beisammen hat, würde so viel Geld aufs Spiel setzen, vor allem nicht nach einer so gut durchgeführten Entführung.«
»Und die Ausschlussermächtigungen gehen mit uns unter«, schloss Edeard. »Echt clever.«
»Was wollen wir also tun?«, fragte Kanseen.
Edeard drehte sich zu dem schmalen Holzbett um, das von kunstfertiger Hand so geformt war, dass es einem Schwan ähnlich sah, und stellte sich das kleine Kind vor, das zusammengerollt unter der hellvioletten Bettdecke darin schlief. »Sie finden.«
»Ja«, sagte Macsen. »Das wäre gut. Die Nachricht von der Entführung breitet sich bereits in der ganzen Stadt aus. Die Leute sind extrem aufgebracht, das kann man spüren. Überall wird nach ihr gesucht; das Ganze ist eine Art doppelter Frevel an einem Tag wie heute. Die Banden werden sich damit wenig Freunde gemacht haben. Das Mädchen wird ziemlich gut versteckt sein; falls sie noch lebt.«
»Sie lebt noch«, sagte Edeard. Er machte einen zögerlichen Schritt auf das Bett zu. »Sie brauchen sie noch bis Mitternacht. Um mich zu kontrollieren.«
»Schnapp dir Ivarl«, schlug Dinlay erregt vor. »Bekämpfe Feuer mit Feuer, damit rechnen sie nie. Und dann müssen sie die Kleine für ihn austauschen.«
Macsen schaute Dinlay erstaunt an. »Na, dass ich das einmal aus deinem Munde hören würde, hätte ich ganz sicher nicht erwartet. Ich bin beeindruckt. Dieser Plan hätte den Vorteil des absoluten Überraschungsmoments. Edeard?«
»Nein. Außerdem hat Ivarl sowieso nichts damit zu tun.«
»Woher willst du das wissen?«, fragte Boyd.
»Er hat’s mir gesagt.« Edeard strich über den Himmel des Betts, versuchte immer noch, sich Mirnatha zu vergegenwärtigen.
»Er hat’s dir –« Die anderen des Trupps sahen sich verblüfft an.
»Genau. Tut mir einen Gefallen, bewacht die Türen. Haltet jeden auf, der hier rein will. Ich muss einen Moment allein sein.«
»In Ordnung«, sagte Macsen. »Möchtest du uns sagen, warum?«
»Ich will mich erinnern«, erwiderte Edeard.
Sie taten, worum er sie gebeten hatte. Stellten ihm keine weiteren Fragen. Sie hatten starke Zweifel, das merkte er ihnen an; aber sie gingen hinaus, postierten sich neben der Tür und fingen an, miteinander zu reden.
Edeard presste sich gegen die Wand hinter dem Bett und glitt mit seinem Fernblick in die unnachgiebige Substanz, aus der das Herrenhaus bestand. »Ich muss es wissen«, sagte er zu ihr. »Ich muss sehen, woran du dich erinnerst.«
An der äußersten Schwelle seiner mit den dahindösenden Gedanken der Stadt abgestimmten Wahrnehmung schimmerten wie Erinnerungen an einen Traum Bilder auf.
Menschen betraten das Kinderzimmer. Er selbst und sein Trupp. Er folgte der Erinnerung weiter zurück. Julan war in dem Zimmer, wutentbrannt schreiend. Kristabel, die weinte, wie man es sonst nur auf Begräbnissen sieht. Weiter zurück. Im Hintergrund die verzweifelten Kindermädchen und Wachen. Und davor das Kindermädchen, das hereinkam und nirgendwo ein Zeichen von Mirnatha
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