Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)
eine Begierde, die mir den Atem raubte. Ich senkte den Blick, zog die Schultern ein und versuchte, mich durch die Gäste zu quetschen, ohne mehr Aufmerksamkeit als nötig auf mich zu ziehen.
Regina führte uns in ein Arbeitszimmer – es war größer als unser Wohnzimmer zu Hause. Dort am Schreibtisch saß ein Mann mit asiatischem Einschlag, der jedoch auch die Züge weiterer Rassen in sich vereinte. Er sah aus, als sei er gerade um die dreißig, aber seine Augen verrieten, dass er weit älter war. Er trug eine Lederhose, ein lilafarbenes Rüschenhemd und eine Lederjacke. Seine langen, scharf gefeilten Nägel waren golden lackiert, und das tiefschwarze glänzende Haar hing ihm offen bis zur Taille herab. In einem Wort: atemberaubend.
Er erhob sich, als wir eintraten, und deutete auf eine Sitzgruppe. Wir ließen uns nebeneinander auf einem viktorianischen Sofa nieder und warteten ab.
»Sieh nur, sie schmiegen sich wie Kätzchen aneinander«, sagte er lächelnd zu Regina, die ein kehliges Lachen ausstieß.
»Leo, mein treuer Tagesbote, schön, dass du mit deiner neuen Freundin und deiner bezaubernden Kurtisane gekommen bist.« Der Mann setzte sich in einen Sessel mir gegenüber, und Regina nahm in einem anderen Platz.
»Vielen Dank für die Einladung, Lord Geoffrey.« Leo erhob sich und verneigte sich formell, bevor er wieder neben Rhiannon Platz nahm. Ich konnte ihn nur anstarren. Sein Verhalten hatte sich grundlegend verändert, und ich begriff erstmals wirklich, auf wessen Gehaltsliste er stand. Erneut kamen mir Zweifel, wie sicher es war, mit jemandem in einem Haus zu leben, der mit Vampiren verbündet war, aber die Alternative – nämlich ohne diesen zusätzlichen Schutz auszukommen – gefiel mir nicht wesentlich besser.
Ich räusperte mich. »Verzeihen Sie, aber wir wurden einander noch nicht vorgestellt.« Ich stand auf und verbeugte mich kurz. Der Instinkt riet mir, das Händeschütteln für jene Leute zu reservieren, die Handgelenke nicht als potenzielle Nahrungsquelle betrachteten.
Er lächelte und warf Regina wieder einen Blick zu. »Du hattest recht, sie hat Mumm in den Knochen. Ich kann zwar die Angst riechen, aber sie übertüncht sie gut.«
Pikiert, derart ignoriert zu werden, stieß ich einen schnaufenden Laut aus. Geoffrey kniff die Augen zusammen und beugte sich vor. »Mut ist eine erfreuliche Eigenschaft. Ungeduld ist nervtötend. Treib es nicht zu weit, Mädchen.« Ein träges Raubtierlächeln huschte über sein Gesicht, und ich fühlte mich plötzlich auf halbe Größe zusammengeschrumpft. Behutsam ließ ich mich zurück auf meinen Platz sinken.
»Sehr gut, ich sehe, wir verstehen uns«, fuhr er fort. »Was die Vorstellung angeht, da hast du recht. Du wirst dich nicht an mich erinnern, aber wir sind uns bereits begegnet, als du noch ein Kleinkind warst. Und das Vergnügen, deine Cousine kennenzulernen, hatte ich bisher noch nicht. Ich bin Lord Geoffrey, Regent der Nordwestregionen der Vampirnation.«
Regina faltete die Hände im Schoß. »Cicely, wir haben dir einen Vorschlag zu unterbreiten, und wir brauchen noch heute eine Antwort. Hör zu: Unsere Königin verlangt, dass du für uns arbeitest. Und meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Karmesin-Königin bekommt, was sie will.«
Ich blickte Regina an, ohne zu wissen, was ich sagen sollte. Wenn ich einfach aufstünde und ginge, wäre ich spätestens morgen früh Geschichte. Und doch konnte ich etwas unter ihrem Lächeln hören. Ich strengte mich an, die Nuancen aufzufangen.
Furcht … Furcht ist es, die mir im Wind entgegenwabert. Furcht vor dem, was ich darstelle.
Langsam, sehr langsam erhob ich mich wieder. »Was wollen Sie von mir?«
»Cicely –« Rhiannon klang warnend, aber ich schüttelte den Kopf.
»Glaubst du wirklich, ich hätte eine Wahl? Ich muss mir zumindest anhören, was sie zu sagen hat.« Oder ich werde dieses Haus wohl nicht lebend verlassen, Abkommen oder nicht.
»Kluge Frau.« Gerade noch Sinnlichkeit pur, war Regina plötzlich ganz Geschäftsfrau, was sie in meinen Augen nicht weniger beängstigend machte. Ihr Blick sagte mir, dass sie nicht nachgeben würde, bis sie hatte, was sie wollte. »Erlaube mir, meinen Bruder dazu zu holen. Er hat sich offenbar verspätet, sollte aber hier sein, bevor wir fortfahren.« Sie nahm den Hörer von einem Telefon, und einen Moment später öffnete sich die Tür.
Der schönste Mann der Welt trat ein. Lannan Altos trug eine scharlachrote Brokatsmokingjacke
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