Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)
hockte der Uhu, die Krallen fest um die Baumrinde gelegt, und beobachtete mich, und ich hätte schwören können, Zärtlichkeit in seinen Augen zu erkennen, Freude, dass ich zurück war, und als ich einen weiteren Schrei ausstieß, antwortete er mir.
Er stieß sich ab und tauchte hinab in den Nebel, und ich folgte ihm. Im Gleichklang flogen wir linksherum und rechtsherum, wendeten, trudelten in die Nebelbank und schwangen uns wieder empor über das Antlitz des Mondes hinweg, und bald sprudelte die wahre Bedeutung von Freiheit durch meinen Körper. Nichts anderes zählte mehr. Nichts konnte die Weite der Welt beeinträchtigen.
Aus purer Freude ließ ich mich seitlich über den Flügel abwärtsrollen und fing mich gerade noch rechtzeitig. Der Uhu folgte mir, und wir tanzten gemeinsam. Irgendwann zwischendurch sah ich Kaylin mit meinen Kleidern auf dem Arm auf der hinteren Veranda stehen und uns dabei beobachten, wie wir im Wind Räder schlugen.
Ulean, bist du bei mir? Ich fliege!
Das tust du, mein Kind. Du näherst dich deiner wahren Natur.
Was meinst du damit?
Dazu ist später noch Zeit genug. Im Augenblick sollst du deine Freiheit erforschen, Kind des Windes. Und sie lachte, und ihre Strömung trug uns voran, als sie mit uns im Windschatten dahinjagte.
Wir rasten im Garten durch eine Schar nichts Böses ahnender Geister, die entsetzt zur Seite sprangen, um sich in Sicherheit zu bringen.
Können sie uns sehen?
Der Uhu antwortete. Ja, Geister und Eulen sind eng miteinander verbunden. Wir sind Kreaturen der Dunklen Magie. Wir kommen im Schatten der Bean Sidhe und bringen Kunde von den Toten. Geister und Gespenster sind Teil unserer Kultur.
Wer seid ihr? Und was ist das hier? Wie mache ich das?
Du bist, wie dein Liebhaber, zu einem Teil Cambyra-Fee. Du bist nur zur Hälfte magiegeboren, die andere Hälfte stammt von den dämonischen Feen ab. Dein Vater war einer von den Uwilasidhe, dem Eulenvolk.
Zur Hälfte Fee. Ich war zur Hälfte Fee? Mein Verstand versuchte, diesen Gedanken zu verarbeiten, aber ein anderer störte meine Konzentration empfindlich. Du kanntest meinen Vater? Wie war er denn? Wie hieß er? Lebt er noch?
Ja, ich kannte deinen Vater, und deine Mutter auch. Und ja, er lebt noch. Er heißt Wrath.
Kann ich ihn treffen – geht das?
Der Uhu schwieg, während wir noch einen weiteren Kreis um das Haus zogen, doch dann landete er leichtfüßig wieder in der Eiche. Er stieß einen durchdringenden Schrei aus, den ich beantwortete.
Nicht jetzt, nicht hier. Aber er weiß von dir, Mädchen. Er weiß von dir.
Und dann schwang er sich wieder empor und tauchte hinab, und wieder jagten wir durch die Nacht, und an seiner Seite lernte ich, wie man die Schwingen benutzte und flog.
Früh am Morgen landete der Uhu auf der Dachrinne über meinem Fenster. Zu Tode erschöpft landete ich neben ihm. Wir waren die ganze Nacht geflogen, hierhin und dorthin, doch niemals über oder in Mysts Wald hinein.
Es wird Zeit, dass du deine andere Gestalt wieder annimmst.
Ich blinzelte. Meine andere Gestalt. In der vergangenen Nacht hatte es Momente gegeben, in denen ich vergessen hatte, dass noch eine andere Gestalt existierte.
Wie mache ich das denn? Ich kann mir die Kette nicht abnehmen.
Konzentrier dich einfach darauf, loszulassen. Aber mach es erst drinnen, sonst fällst du vom Dach. Uleans Stimme war klar und unterschied sich deutlich von der des Uhus.
Während ich noch überlegte, wie ich hineinkommen sollte, um mich zurückzuverwandeln, erschien Kaylin in meinem Zimmer und drückte behutsam das Fenster auf. Er streckte den Arm heraus, und ich hüpfte darauf, dann holte er mich rein und setzte mich auf dem Boden ab.
Ungeschickt watschelte ich umher; die Krallen waren eindeutig nicht für Holzböden geschaffen.
Lass die Gestalt einfach los …
Uleans Stimme drang durch den Windschatten, und ich war froh, dass sie mich trotz der veränderten äußeren Form verstehen konnte.
Lass die Gestalt einfach los …
Ich beruhigte meinen Gedanken und versenkte mich tief in mein Inneres. Bewusst stellte ich mir vor, wie sich die Eulengestalt auflöste und ich als Mensch daraus hervorg… Ping! Splitterfasernackt, die Kette noch um den Hals, ging ich polternd zu Boden.
Eins musste man Kaylin wirklich lassen: Anstatt mich anzuglotzen, zog er sofort die Decke vom Fußende meines Bettes und legte sie über mich. Langsam richtete ich mich auf und rieb mir den Schädel, der höllisch schmerzte. Der Anhänger pochte leicht
Weitere Kostenlose Bücher