Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)
geboren, und weder du noch ich sind unseren Vätern je begegnet. Und jetzt können wir nicht einmal Heather danach fragen.«
Rhiannon wurde blass. »An so etwas habe ich noch nie gedacht. Aber hätte ich das nicht irgendwie spüren müssen?«
»Ich habe es jedenfalls nicht.« Meine Kindheit war ein Panoptikum der Irrsinnigkeiten gewesen, daher hatte ich mein Gefühl, nicht dazuzugehören, stets auf meine Umgebung zurückgeführt, nicht auf meine Abstammung. Immerhin war ich nicht ganz menschlich – ich war geborene Hexe – und hatte mich niemals aufgrund meiner Zauberkraft außen vor fühlen müssen.
»Vielleicht sollten wir Anadey davon erzählen. Es ist doch möglich, dass sie mehr über unsere Herkunft weiß.« Der hoffnungsvolle Ausdruck in ihren Augen sagte mir, dass es auch für sie wichtig war, etwas über die Vergangenheit zu erfahren. Heather würde uns wohl kaum noch etwas erzählen. Heather war für uns verloren.
Ich überlegte. Anadey kam der Rolle einer Beraterin recht nahe. Sie war Martas Tochter, und sie hatte unsere Mütter noch vor unserer Geburt gekannt. Einen Moment lang stellte ich mir die Frage, ob wir ihr wirklich trauen konnten, verwarf diese Sorge aber wieder. Über die »Vertrauen oder nicht vertrauen«-Frage waren wir längst hinaus. Wir hatten uns entschieden, als wir ihr von Grieve und dem Indigo-Hof erzählt hatten.
»Ja, das sollten wir wohl. Es ist Sonntag, von uns arbeitet heute hier keiner, richtig?«
»Wo wir gerade bei dem Thema sind …« Leo rutschte auf seinem Stuhl herum. »Als ich heute Morgen aufwachte, hatte ich eine E-Mail im Postfach, dass ich dich heute zu deiner ersten Blutspende bringen soll. Lannan will dich heute Abend um sieben sehen.«
»Mist, das hatte ich fast vergessen. Und wahrscheinlich wollte ich es vergessen.«
Leo verzog das Gesicht. »Ich habe das Gefühl, ich sitze zwischen allen Stühlen. Ich kann aus meinem Vertrag raus, ohne dass ich Nachteile zu befürchten habe, und ehrlich gesagt denke ich darüber nach, ob ich meinen Job als Tagesbote nicht lieber aufgeben soll. Vor allem jetzt, da du für die Vampire arbeitest, Cicely. Ich habe den Eindruck, dass du in dieser Sache am meisten abkriegst, und ich will es nicht noch schlimmer für dich machen, aber das könnte vielleicht passieren.«
Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. Was, wenn man Leo befahl, etwas wegen mir oder mit mir anzustellen, das wir beide nicht mochten? Solange er bei ihnen unter Vertrag stand, hatte er keine Wahl, als zu gehorchen.
Nein, lass ihn nicht aussteigen. Uleans Stimme klang eindringlich. Du wirst ihn dort noch brauchen. Glaub mir das.
Okay, damit war das geregelt.
»Ulean hat mir gerade gesagt, dass du deine Stelle im Augenblick besser behalten solltest. Ich würde zwar nicht behaupten, dass ich ihnen vertraue, aber sie sind ja nicht dumm. Wenn sie wirklich der Meinung sind, ich sei der Schlüssel zu dem bevorstehenden Krieg, werden sie vermutlich nichts tun, was unsere Freundschaft gefährdet.«
»Nein, dumm sind sie wirklich nicht, da hast du wohl recht«, sagte er.
»Also. Wie war’s denn eigentlich bei Anadey? Habt ihr schon mit der Ausbildung angefangen?« Nur allzu gern wollte ich Vampire und Vampirfeen für ein Weilchen vergessen und mich auf die Lebenden konzentrieren.
Rhiannon lächelte, und ihr Gesicht leuchtete auf. »Ja, und es ist gar nicht so schwer, wie ich befürchtet habe. Ich wusste doch schon eine ganze Menge – ich habe ziemlich viel gelernt, indem ich Heather in den vergangenen Jahren bei ihren Zaubersprüchen und Heilmitteln geholfen habe. Ich muss zwar noch viel üben, aber Anadey hat mir gestern schon eine sehr wertvolle Lektion beigebracht, nämlich wie man das Feuer zurückholt, wenn es außer Kontrolle zu geraten droht. Das war viel einfacher, als ich gedacht hätte.«
Sie sah so stolz aus, dass ich aufsprang und sie an mich drückte. Wenigstens eins unserer Probleme schien gelöst.
»Was machen wir heute?«
»Ich habe erst überlegt, noch einmal zu versuchen, Peyton zu befreien. Aber wir sind beim ersten Mal nur knapp entkommen. Ich denke, wir sollten besser an unseren Schutzzaubern arbeiten.«
»Wirst du mit Grieve reden?« Kaylin sah mich lange an.
Ich biss mir auf die Unterlippe. »Das kann ich doch nicht. Ich muss heute Abend Lannan Blut geben. Grieve würde etwas spüren und versuchen, mich daran zu hindern. Ich muss einen Bericht für Lannan verfassen, aber das kann ich ja per E-Mail machen. Jedenfalls muss
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