Das Dunkle
man irgendwo hingehörte.“ Er setzte seine Brille wieder auf. „Aber all das ist vor etwa fünfzig Jahren verschwunden, soweit ich weiß.“
„Also muss ihnen etwas passiert sein?“, fragte Jonathan.
Rex nickte. „Etwas Schlimmes, davon können wir ausgehen.“
„Aber dieser Typ von gestern Nacht …“, meinte Jessica.
„Vielleicht ist er aus den alten Zeiten übrig geblieben oder so.
Hat vielleicht die Stadt verlassen und ist gerade zurückgekehrt?“
„Sah er so alt aus?“, fragte Rex.
„Ich glaube nicht.“ Sie sah Jonathan an, der nickte.
„Jung.“ Er scharrte unbehaglich mit einem Fuß. „Er ist über einen zweieinhalb Meter hohen Zaun viel müheloser drübergekommen als ich. Außerdem ist er reich. Seine Uhr war mit Diamanten besetzt.“
„Woher weiß er dann Bescheid?“, fragte Rex leise. „Melissa hat außer uns fünfen nie einen anderen Midnighter gespürt und hat nie geschmeckt, dass einer von den Daylightleuten die Wahrheit wusste. Sie hat natürlich in letzter Zeit nicht danach gesucht. Aber als wir klein waren …“
Er schwieg, und Jessica ertappte sich dabei, wie ihr Blick über die vier Bücherwände um sie herum glitt. Das Zimmer war eine eigene kleine Welt, ein vorgestelltes kleines Stück Vergangenheit. Plötzlich verstand sie Rex ein bisschen besser.
Kein Wunder, dass er überall deplatziert wirkte, unglücklich über die Welt, in der er sich befand. Er wünschte sich, er wäre in den alten Zeiten geboren, als es Riten und Treffen und Einführungen gab, sogar Ice-Cream Socials. Als ein Seher vermutlich der Boss von allen war.
„Ich hab die Autonummer von dem Typen“, sagte Jonathan.
Rex schnitt eine Grimasse. „Vielleicht kann dir Sheriff St.
Claire da weiterhelfen.“
Jonathans Gesicht verfinsterte sich, und er sah auf den Kater hinunter, der seinen Kopf an seinen Füßen rieb. „Na ja, das ist besser als nichts.“
Jessica seufzte. „Und was machen wir jetzt, Rex?“
„Melissa kommt heute Abend vorbei, wenn ich meinen Dad ins Bett gebracht habe. Ich werde ihr erzählen, was ihr gesehen habt. Vielleicht kann sie ein paar Gedanken lesen und herausfinden, was es in Bixby Neues gibt. Wir fahren ein bisschen in deiner Gegend herum, vielleicht stoßen wir zufällig auf ein paar streunende Gedanken. Sollte dein Stalker später da sein, wenn die meisten schlafen gegangen sind, kann es nicht schwer sein, ihn zu finden.“
„Und was sollten wir tun?“, fragte Jessica.
„Seid vorsichtig.“
„Das ist alles?“, fragte Jonathan. „Vorsichtig sein?“
Rex nickte. „Sehr vorsichtig. Das scheint sich aus der Geschichte zu empfehlen. Als die alten Midnighter verschwanden, passierte das ganz plötzlich, so schnell, dass nichts in der Lehre dokumentiert wurde. Irgendwas hat sich ihrer in einem Rundumschlag entledigt.“
„Darklinge zum Beispiel, oder?“ Jess versicherte sich des beruhigenden Gewichts von Demonstration in ihrer Tasche.
Rex zuckte mit den Schultern. „Vielleicht waren es Darklinge … vielleicht ist es aber auch am helllichten Tag passiert.“
11.02 Uhr nachts
6
„Bist du sicher, dass du dazu bereit bist?“
Melissa warf ihm vom Fahrersitz des alten Fords einen gequälten Blick zu. „Na ja, es ist schon ein ziemlich gewagter Schritt.“
Rex spürte, wie er rot wurde. Nach acht Jahren hatte er sich daran gewöhnt, dass Melissa seine Gefühle spürte und seine Gedanken besser lesen konnte, als er das bei irgendjemandem zulassen würde. Was ihm aber überhaupt nichts nützte, wenn sie ihre Kräfte dazu benutzte, um ihn wütend zu machen.
„Will sagen“, fuhr sie fort, „dass ich das nur tun werde, wenn du glaubst, dass du dazu bereit bist.“
„Ich dachte, du …“
Er biss die Zähne zusammen. Die ganze Sache war ihre Idee gewesen, und jetzt machte sie sich über seine Sorgen lustig.
Typisch Melissa: Sie nahm die blaue Zeit und ihre Lehre ernst
– ernster als alle anderen –, aber manchmal musste sie beweisen, dass alles nur ein einziger Witz für sie war. Verschwendung des kostbaren Energierestchens, das ihr vom täglichen Überlebenskampf übrig blieb.
Als er die Nachrichten weitergab, die Jessica heute Morgen abgeliefert hatte, hatte Melissa immer noch nicht besonders erschrocken ausgesehen, als ob keine menschliche Bedrohung der Welt die göttliche Hure aus der Ruhe bringen könnte.
Sie nickte und zog an den Fingern eines Handschuhs.
„Stimmt, es war meine Idee. Vielleicht haben wir es aber auch zu eilig. Ich würde eine
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