Das Dunkle
zerreißen.
Wir werden es gerade noch schaffen, und das liegt nicht an dir, Angie.
In ihrem Kopf drehte es sich, während sie versuchte, Rex’
mentalen Aufruhr von den sich nähernden Gedanken zu trennen. Verbissen und bestimmt kamen sie durch, verärgert über eine Unannehmlichkeit und unverkennbar verängstigt.
„Er ist es …“, flüsterte sie.
„Wer?“
Bleib auf der Straße, Idiot. Wir sind fast da.
Jetzt erkannte sie, welche Art von Angst das war; es war die Sorte, die ihr tausendmal morgens an der Schule begegnet war. Es gab immer mindestens eine Seele, die nachgeklappert kam, wenn sich alle an ihren Pulten eingerichtet hatten, hineinstürzte, in Angst vor Strafe. Das war die Angst, die sie schmeckte: die Angst, zu spät zu kommen.
„Er hat sich beeilt, als er wegfuhr“, murmelte sie, „aber er hat sich beeilt, weil er um Mitternacht zurück sein wollte !“
„Der Typ, den du gehört hast?“
„Genau! Wir müssen sofort hier raus.“ Sie stand aufrecht, wobei ihr immer noch leicht schwindelig war. Aus irgendeinem Grund fühlte man sich in diesem Haus beim Gedankenlesen, als ob man durch Sirup waten würde.
Rex kratzte die Plättchen zusammen und versuchte, sie alle in die Schachtel zurückzustopfen.
„Wir haben keine Zeit!“ Sie schmeckte die bitteren Flüche des Mannes, während er das Lenkrad herumriss, fühlte seinen Körper schlingern, wenn er schnell um Kurven fuhr, hörte Reifen quietschen …
Rex sah auf. Er hatte die Reifen auch gehört.
Scheinwerfer krochen über die Decke, und in der Auffahrt knirschte es.
„Er ist da“, sagte sie, zu spät.
„Mach dir um ihn keine Sorgen“, sagte Rex, während er auf seine Uhr sah. „Wir müssen uns nur für vier Minuten verstecken. Was nach Mitternacht passiert, macht mir mehr Sorgen.“
Sie schoben die Darklingdominos in den Schrank zurück und schlichen zu einem der kleineren Schlafzimmer. Hoffentlich würde der Mann nicht im Haus herumspionieren, wo ihm bis Mitternacht so wenig Zeit blieb. Rex deutete auf einen breiten, flachen Wandschrank mit Schiebetüren.
Das Geräusch der sich öffnenden Haustür drang die Treppe hinauf, als sie gerade in der Dunkelheit des Schrankes untergetaucht waren. Melissa spürte, wie Rex neben ihr heftig atmete, verunsichert, während er versuchte, sie nicht versehentlich zu berühren. Sie zog ihren zweiten Handschuh wieder an und beruhigte ihn mit dieser Hand, wobei sie flüsterte: „Entspann dich. Ich muss mich konzentrieren.“
Rex’ Gedanken kamen zur Ruhe, und jetzt konnte sie spüren, dass sie da unten zu zweit waren, der Mann und … Angie.
Die Frau sendete nur ruhige Wellen aus, kein Wunder dass sie für Melissa bis jetzt unsichtbar geblieben war.
„Du kannst froh sein, dass wir es noch geschafft haben“, sagte die gedämpfte Stimme des Mannes. Seine Schritte waren auf der Treppe zu hören. Melissa kontrollierte ihren Atem.
Die Geräusche hallten in diesem Haus so sehr, dass sie ein einziger Stoß gegen die Schranktür verraten würde.
„Ich bin nicht absichtlich zusammengeklappt. Beim nächsten Mal werde ich mir den Anruf bei dir sparen.“ Ihre Stimme klang tief und kontrolliert, nicht so außer Atem wie seine.
Seine Angst, zu spät zu kommen, teilte sie nicht. Melissa spürte, wie die Frau auf ihre Uhr sah – ein Ausdruck der Zufriedenheit, als sie sich bestätigt sah, dass alles nach Plan lief.
Nachdem sie sich jetzt im Haus aufhielten, konnte Melissa sie deutlich spüren.
„Alles nur Versprechungen“, rief der Typ aus dem großen Badezimmer. Ein erleichtertes Gefühl durchströmte ihn, als Melissa es plätschern hörte. Sie schauderte peinlich berührt.
„Als ob du damit allein fertig werden könntest“, sagte die Frau mit ganz leiser Stimme, die Melissa eher wie ein Gedanke erreichte. Sie hatte sich inzwischen an Angies Gedanken geheftet: Die schwammen in ungesund süßlicher Verachtung für den Mann. Vor allem brauchte Angie ihn hier überhaupt nicht
– er konnte die Symbole der Lehre nicht lesen, sah die großen Zusammenhänge nicht, schleppte immer seine dämliche Kamera mit sich rum, mit der er die Geister sowieso nie einfan-gen konnte. Wenn er bloß nicht mit dem Patriarchen verwandt wäre …
Die Gedanken der Frau kamen näher, ihre langsamen Schritte trugen sie über den Flur im ersten Stock. Sie verharrten direkt vor der Tür des Zimmers, in dem sie sich versteckt hielten.
„Brauchten wir wirklich so ein großes Haus?“
Rex’ Schultermuskeln spannten
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