Das Dunkle
sich unter Melissas Griff, sein Geist überflutete ihren mit einer Woge der Angst. Entspann dich , drängte sie ihn.
„Orte, Orte, Orte“, sagte der Mann. „Was anderes kümmert Gespenster nicht. Wenn dieses Feld so groß ist, wie man behauptet, dann kriegen wir das Hundertfache von dem, was diese Keksdose kostet.“
Die Frau trat einen Schritt ins Zimmer und schaltete das Licht ein. Ein gleißender Lichtkeil bahnte sich seinen Weg durch die Ritze zwischen den doppelten Schranktüren. Melissa zuckte zusammen, das Licht fühlte sich an, als würde es sie von Kopf bis Fuß in zwei Hälften zerteilen. Rex hatte aufgehört zu atmen.
Melissa schloss ihre Augen bei dem Versuch, dem Geist der Frau zu entlocken, was sie dachte, warum sie auf die Schranktür starrte. Rex ertränkte diese glatten, gesammelten Gedanken jedoch mit seinem Horror.
„Komm schon, Angie! Dreißig Sekunden.“
Die Frau rührte sich nicht. Melissa ballte ihre freie Hand zur Faust. Ein gezielter Stoß in die Eingeweide würde sie für eine halbe Minute niederstrecken. Lang genug.
„Angie!“
Schließlich zogen sich die Schritte zurück, jetzt schnell und entschlossen. Melissa hörte, wie die Dominos im anderen Zimmer auf dem Boden ausgeschüttet wurden, spürte die Erwartungen in den beiden Eindringlingen wachsen und Erleichterung, die Rex durchströmte.
Und dann, Sekunden später, grandios wie immer …
Stille.
halbling
12.00 Uhr Mitternacht
8
„Komm schon! Wir müssen rennen!“
Melissa schüttelte ihren Kopf und entzog sich ihm. Ihre Augen leuchteten so schrecklich klar wie immer in der blauen Zeit; befreit vom turbulenten, menschlichen Gedankenlärm konnte sie furchtlos sein, gebieterisch, kühn.
Rex seufzte. Sie konnte auch eine Nervensäge sein.
„Ich werde diese Frau aufreißen“, sagte sie und drängte sich an ihm vorbei in das große Schlafzimmer.
Er folgte ihr und blieb in der Tür stehen. Die beiden Normalen waren zu beiden Seiten der verstreuten Plättchen erstarrt, der Mann auf den Knien, die Frau im Stehen. Das Gesicht des Mannes verbarg sich hinter einer Kamera, die zu Boden gerichtet war. Rex fiel auf, dass seine Uhr exakt Mitternacht in Bixby angab und das Ziffernblatt mit winzigen, glitzernden Juwelenaugen verziert war.
„Also, was weißt du bis jetzt?“, sagte Rex. „Er spioniert hinter Darklingen genauso wie hinter Jessica her.“
„Es geht um sie“, sagte Melissa.
Die reglose Frau war groß und blond, geschäftsmäßig gekleidet. Die Mitternacht hatte ihren Gesichtsausdruck einge-fangen: Ehrfurcht und Angst vermischt mit Erwartung. Alle Plättchen lagen mit dem Gesicht zum Boden, bereit, umgedreht und zu Nachrichten zusammengesetzt zu werden.
Rex schüttelte seinen Kopf. Wie das zusammenpassen sollte, konnte er nicht begreifen. Wie konnte ein Darkling kommunizieren, indem er verhasste Midnightersymbole verwendete?
Und wo hatten sich diese Leute vor fünfzig Jahren versteckt?
Melissa stand vor der Frau und streckte ihre Hände aus.
„Wir haben keine Zeit!“, rief Rex. „Die Wüste ist nur eine Meile weit weg. Was auch immer hierherkommt, wird gleich da sein!“
„Sie ist die Clevere, Rex. Du müsstest ihre Gedanken lesen, Rex. Sie weiß, was los ist.“
„Los sind die Darklinge, und die werden uns über den Haufen rennen!“
„Dann halte dich bereit. Ich bin in fünf Minuten unten.“
Rex verzog das Gesicht. Warum hörte nie jemand auf ihn?
Besonders in solchen Zeiten, wenn es wirklich darauf ankam.
Dieses Haus konnte noch so teuer aussehen, es war ein Ort für Darklinge. Nicht für Menschen. Er konnte das sehen. Melissa nicht.
Ihm fiel auf, dass die Balkontür inzwischen offen stand.
„Mach drei draus“, sagte Rex trocken und rannte nach unten.
Er stürzte durch die Eingangstür und rannte zum Wagen, ohne einen Blick in den Himmel zu werfen. Ein paar Minuten hatten sie jedenfalls. Sogar Jonathan Martinez würde nicht so schnell hier eintreffen.
Perverserweise hoffte er, dass etwas Großes im Anflug war.
Die Ältesten lebten weit draußen in der Wüste und würden mehr Zeit brauchen. Und wenn sich Melissa etwas wirklich Furchtbarem stellen musste, würde sie vielleicht beim nächsten Mal auf ihn hören.
Wenn am Ende nur ein zweitklassiger Darkling und ein paar Gleiter dabei herauskamen, dann würde sich Rex natürlich auch nicht beschweren.
Er griff hinter sich nach seinem Matchsack auf dem Rücksitz. Der fühlte sich unerfreulich leicht an. Sie hatten heute Nacht kein
Weitere Kostenlose Bücher