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Das Dunkle

Das Dunkle

Titel: Das Dunkle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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war es ihr gelungen, ihre Erinnerungen abzugeben, ein kleines Kommunikationszeichen zwischen dem ganzen Müll. Das war doch wenigstens was.
    „Ich raff es immer noch nicht“, sagte er.
    Sie seufzte. Würde er nie tun.
    Warum hatte sie ihm nichts erzählt? Die Gründe schienen zu zerbröseln, sobald sie darüber nachdachte, und beim Teilen ständig mehr zu werden … Weil sie sich nicht ganz sicher war, ob sie das wirklich gehört hatte. Weil man sich nicht über jeden flüchtigen Gedanken aufregen konnte. Weil Jessica Day sowieso nicht ihr Problem war.
    Egal, jetzt wusste er es. Außerdem hatte sie ihr Wissen auf eine Weise weitergegeben, die viel … interessanter war, als wenn sie es ihm einfach erzählt hätte. Komisch – sie hasste den Anblick der Leute in der Schule, wenn sie Händchen hielten, mit den ganzen klebrigen und ichbezogenen Gedanken.
    Aber mit Rex war das gar nicht schlecht gewesen.
    Vielleicht würde er beim nächsten Mal nicht ausflippen.
    Melissas Gedanken fingen wieder an zu wandern, öffneten sich weit, um die Träume und Albträume des schlafenden Bixby in sich aufzunehmen. Kaum jemand war noch wach, sogar vor Mitternacht. (Diese Stadt zog Loser echt magisch an.) Die meisten wachen Gedanken klammerten sich an TV-Shows fest. Hunderte von Seelen lachten gleichzeitig über dieselben Witze, wie Clowns im Gänsemarsch. Donnerstags musste Melissa nachts manchmal ganz Bixby aushalten, wie es kollektiv zur Sitcom Nummer eins wieherte oder gedankenlos das Millionen-Dollar-Finale einer so genannten Reality-Show ausschwitzte. Sie schüttelte sich. Nur noch vier Monate bis zum gefürchteten Super Bowl.
    Hat sich von all diesen Hirnwundern noch nie eines gefragt, warum Fernsehshows Programme genannt wurden? Die gleiche Bezeichnung, die man für eine Ansammlung von Zahlen verwendete, die in einen Computer gestopft wurden, damit sie für ihre Herren tanzten?
    Melissa rümpfte die Nase, als ihr auffiel, dass sie sich dieses letzte Bild bei Dess ausgeliehen hatte. Miss Universalgenie arbeitete an einem Geheimprojekt. Ihre kleinen Hamsterrädchen drehten sich so schnell, dass Melissa um Mitternacht den Qualm riechen konnte. Sie und Rex würden sich Dess in Kürze vornehmen und fragen müssen, was sie da eigentlich im Schilde führte.
    Sie sah Rex an. Weil es nicht richtig war, Geheimnisse zu haben, oder?
    Ein Gedankenfetzen streifte sie, und Melissa nahm den Fuß vom Gas.
    Der Inhalt war es nicht, aber er schmeckte nach etwas, weshalb sie die Worte im Kopf wiederholte …
    Wir dürfen nicht zu spät kommen.
    Vielleicht beeilte sich jemand, weil er den Anfang irgendeiner dutzendfachen Wiederholung eines Films nicht verpassen wollte. Aber das Gehirn hatte etwas Vertrautes, etwas kam ihr so bekannt vor.
    „War da was?“, fragte Rex.
    „Kann sein.“
    Sie bog an der nächsten Kreuzung links ab, durch ein Steintor in eine Siedlung mit großen, einfallslosen Einheitshäusern, die auf winzige Grundstücke gerade außerhalb der Reichweite von Tulsas Grundsteuer gepfercht waren. Dort war der Gedanke hergekommen, da war sie sich sicher.
    Niemand schien wach zu sein; die Hälfte der Häuser war noch unbewohnt. Sie konnte die gardinenlosen Fenster sehen und die leeren Räume dahinter spüren. Hässlich wie sie waren, träumte Melissa trotzdem davon, eines Tages in so einem Haus zu leben – unbefleckt von jahrelanger menschlicher Besitznahme, frei von schlaflosen Sorgen, die von den Wänden trieften, keine Überbleibsel kleinlicher Diskussionen.
    Von den bereits eingezogenen Bewohnern schliefen die meisten tief und fest, ihre Träume waren so glatt und austauschbar wie die manikürten Rasenflächen vor den Häusern.
    Dann spürte sie ihn wieder und umklammerte das Lenkrad.
    Melissa wusste, dass es dieselbe war, genau dieselbe Seele, die vor einer Woche gedacht hatte: Wir müssen Jessica Day kriegen.
    „Was hast du –?“
    „Psst!“
    Sie entglitt schon wieder, bewegte sich schnell auf dem leeren Gedankengelände.
    „Mist!“ Sie saß in einem Auto. ( Er saß im Auto – ein Mann, plötzlich wusste sie es.) Seine Gedankenfäden flogen vorbei wie die Kondensstreifen hinter einem Düsenflugzeug. „Ich hab ihn geschmeckt, Rex. Er fährt aber.“
    „In welche Richtung?“
    „Ich … weiß nicht.“ Sie schüttelte den Kopf. Die letzten Spuren verflogen. Sie hielt den Wagen an. „Er ist hier irgendwo gewesen.“
    „Derselbe Typ?“
    Melissa nickte. „Und wir sind eine knappe Meile von der Stelle entfernt, wo ich

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