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Das Dunkle

Das Dunkle

Titel: Das Dunkle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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der Gelegenheit auf, dass sie keine Ahnung hatte, womit Dess eigentlich am Wochenende beschäftigt gewesen war. Wusste sie irgendwas über die Stalkersache?
    „Ich sollte wohl besser anfangen zu lernen. Meine nächste große Zwischenprüfung ist Trig.“
    Constanza nickte langsam und sah zu der Ecke hinüber.
    Constanza fiel allmählich auf, wie viel Zeit Jessica mit Dess und den anderen verbrachte, beim Lunch und während der Lernstunden, und fragte sich vermutlich, was das zu bedeuten hatte. Die anderen Midnighter außer Jonathan standen auf schwarze Klamotten, und ihre sensiblen Mitternachtsaugen zwangen sie dazu, Sonnenbrillen zu tragen, sooft es ging. Sie passten nicht ganz zu den Leuten, mit denen sich Jessica in Chicago umgeben hatte.
    Sie wünschte sich, sie könnte Constanza besser kennenlernen, aber zwischen Hausarrest und dem Überlebenskampf in der geheimen Stunde hatte Jessica längst nicht so viel Zeit mit ihr verbracht, wie sie wollte. Wie bei Jonathan schien die blaue Zeit zu verhindern, dass noch normale Dinge passierten.
    „Dess ist gar nicht so übel“, sagte Jessica leise und hasste sich auf der Stelle dafür, dass sie es so formuliert hatte.
    Constanza kicherte. „Na ja, Jess, jedenfalls besteht bei ihr keine große Gefahr, dass man abgelenkt wird.“

    „Du siehst aus, als hättest du gute Laune.“
    Dess nahm ihre Sonnenbrille ab, hinter der ein heiterer Blick anstelle der üblichen finsteren Montagsstimmung zum Vorschein kam. „Hatte ein echt gutes Wochenende. Habe mich mit einem neuen Spielzeug beschäftigt, das übrigens top secret ist – kann dir nichts drüber verraten. Und dieser Morgen entwickelt sich … interessant.“
    Jessica wandte sich zu Constanzas Tisch um und senkte die Stimme. „Du hast von dieser Sache in der letzten Nacht gehört?“
    Dess prustete. „Klar, ist aber nichts dran. Passiert in Bixby ziemlich oft – Gerüchte über Kids, die Unsinn anstellen.“
    „Da wäre ich mir nicht so sicher. Was ist mit den Messern?“
    „Zwölf Stück? Muss ein Druckfehler sein. Und wer soll das gewesen sein? Ich hatte zu tun. Und Las Colonias ist weit draußen in der Nähe der Badlands. Rex und Melissa waren doch in der Stadt und haben mit euch beiden nach dem Stalker Ausschau gehalten, oder?“
    Jessica rümpfte die Nase. „Du weißt also davon?“
    „Rex hat mich gestern angerufen. Wollte mich warnen, ich sollte mich vorsehen.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Irgendwie verrückt, schätze ich.“
    „Stimmt.“ Jessica beugte sich vor. „Aber da gibt es noch was Verrückteres: Rex und Melissa sind gestern Nacht nicht aufgetaucht. Und heute habe ich sie auch nicht gesehen.“
    „Sie sind nicht gekommen? Rex hat aber gesagt …“ Dess verstummte und bekam diesen abwesenden Blick, den Jessica von ihren gemeinsamen Trigonometrieaufgaben kannte. So sah Dess aus, wenn sie sämtliche Alternativen durchdachte.
    „Also“, meinte Dess schließlich, „das kann eins von zwei Dingen bedeuten. Höchstwahrscheinlich hat einer von den Trotteln in der Gerüchtekette die Zahl nicht richtig hingekriegt, weil die meisten Leute Zahlen nicht richtig hinkriegen.
    Insofern sind Rex und Melissa gestern in eine Auseinandersetzung geraten, wurden in eine Ecke gedrängt, haben dreizehn Messer in eine Tür gerammt und heute Morgen verschlafen.“
    Jessica schluckte. „Welche Möglichkeit gibt es noch?“
    „Sie sind gestern in eine Auseinandersetzung geraten, rammten dreizehn Messer in eine Tür, und eins ist rausgefallen.“
    „Rausgefallen? Wie meinst du das?“
    „Na ja, das würde bedeuten“, Dess kaute auf ihrer Lippe,
    „dass sie heute nicht zur Schule kommen.“
    Als die Mittagsglocke klingelte, stürzten Dess und Jessica zur Cafeteria und schafften den Weg in Rekordzeit. Jonathan wartete an Rex’ üblichem Tisch auf sie. Allein.

    „Martinez?“, sagte Dess, die sich offensichtlich über seine Anwesenheit wunderte. Jonathan aß so gut wie nie mit den anderen Midnightern. Auch er musste von den Gerüchten gehört haben.
    „Hi, Dess“, nuschelte Jonathan, weil er den Mund voller Erdnussbutter auf Bananenbrot hatte. Er rückte Jessica einen Stuhl zurecht, ohne sie zu begrüßen, lächelte nur müde und aß weiter. Seine Sorge um Rex und Melissa hatte seinem Akrobatenappetit offensichtlich nicht geschadet.
    Jonathan hörte sich immer noch heiser an, wegen seinem Fußmarsch vor zwei Tagen. Jessica war inzwischen aufgefallen, dass er nie einen Mantel trug, egal wie kalt es wurde.

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