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Das Dunkle

Das Dunkle

Titel: Das Dunkle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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führt euch denn in meine bescheidene Behausung?“
    Dess runzelte die Stirn. Rex kam ihr seltsam aufgekratzt vor, insbesondere falls sie gestern diesen chaotischen Zusammenstoß gehabt haben sollten. Und Melissa hatte nasse Haare, als ob sie gerade geduscht hätte. Sie trug keine Kopfhörer und brachte hinter ihrer Sonnenbrille sogar ein Lächeln zustande.
    Wenn es nicht gerade diese beiden wären … Dess schauderte, und sie erinnerte sich daran, dass Melissa eventuell zuhörte.
    Zudem war es absolut unvorstellbar – und zwar in der Tat unvorstellbar, wie irgendetwas Derartiges passieren sollte.
    Jonathan sagte natürlich nicht viel, also antwortete sie: „Wir haben gehört, dass ihr gestern Probleme hattet.“
    Rex kicherte und nickte. „Die Gerüchteküche brodelt schon? Mann, ich liebe diese Stadt.“
    Dess gestattete sich, zurückzulächeln. Sie waren tatsächlich in Ordnung. Die Sorge, dass zwei ihrer Freunde am Ende in der geheimen Stunde das Glück verlassen haben könnte, löste sich endlich in Wohlgefallen auf.
    „Was habt ihr da draußen eigentlich gemacht? Vollidioten.
    Solltet ihr nicht in der Stadt sein?“
    „Genau“, ergänzte Jonathan tapfer. „Wir haben die ganze Stunde nach euch Ausschau gehalten.“
    Rex lächelte und winkte sie zu vier verrosteten Gartenstühlen herüber. Dort setzten sie sich, wie ein Haufen alter Trottel auf einer Veranda.
    „Ich habe unterwegs was geschmeckt“, sagte Melissa, „und dem sind wir am Ende hinterhergejagt.“
    „Hört sich eher so an, als ob es am Ende euch hinterhergejagt wäre“, stellte Dess fest.
    Melissa nickte und zog ihre Jacke fester um sich, obwohl es hier draußen in der Sonne gar nicht kalt war. „Stimmt, genau so war es wohl auch.“
    „Ihr hattet hoffentlich ein bisschen anständiges Metall dabei“, sagte Dess.
    Rex zuckte mit den Schultern. „Na ja, sie haben uns eher kalt erwischt. Wir haben aber improvisiert. Und die letzten bösen Jungs hat Unverzichtbar Kathegorische Appropriation in die Flucht geschlagen.“
    Dess lächelte, das hörte sie gern. Die alte Radkappe hatte auch schon immer zu ihren Lieblingen gezählt. Sie war von einem 1989er (= 153x13) Mercedes-Benz (ein Tridecalogism, wenn man den Bindestrich mitzählte) abgefallen, auf der Farm Road 1264 (1 + 2 + 6 + 4 = genau, 13). Wie geschaffen, den Vogel abzuschießen.
    „Moment mal, Las Colonias liegt nicht auf dem Weg zu Jessica“, sagte Jonathan, als ob ihm eben erst aufgefallen wäre, dass Rex und Melissa ihnen nicht alles erzählten. Dess sah das an ihren Gesichtern. Die beiden grinsten wie Ladendiebe, die es mit ausgebeulten Taschen durch die Tür und um die Ecke geschafft hatten.
    „Nein. Aber ich konnte diesen Typen meilenweit riechen“, sagte Melissa. „War übrigens euer Stalker, Jonathan.“
    „Nicht nur das“, fügte Rex hinzu, „er arbeitet offensichtlich für die Darklinge.“

    Dess’ Erleichterung fing an auszufransen. „Er arbeitet für die ? Wie denn?“
    Rex holte tief Luft, dann erzählte er die ganze Geschichte –
    die Gedanken über Jessica, die Melissa zufällig gehört hatte, Darkling Manor und die Dominos, den Stalker und seine Freundin, den Rückzug auf die andere Straßenseite (Rex zeigte den unspektakulären Schnitt, der für das berühmte Blut gesorgt hatte) und dann die Erscheinung des gruseligen Halblings und den Zusammenstoß zum Schluss. Melissa trug zur ersten Hälfte mit ihren eigenen Kommentaren und Widersprüchen bei, später saß sie meistens nur da, mit zuckenden Augäpfeln hinter geschlossenen Lidern.
    Dess hörte zu, fasziniert und leicht genervt, und begann allmählich zu realisieren, warum die beiden ihr heute so albern vorkamen. Im Grunde machten sie sich immer noch in die Hosen vor Angst, fürchteten sich bis auf die Knochen. Was sie da draußen in Las Colonias gesehen hatten, musste sie die ganze Nacht beschäftigt haben – und so sehr verängstigt, dass sie nicht schlafen konnten. Und am Ende waren sie so, wie sie sie jetzt sah: hundemüde und immer noch reichlich hysterisch.
    Kein Wunder, dass sie nicht in der Schule erschienen waren. Rex war nicht in der Verfassung für die reale Welt, und Melissa … an der Bixby Highschool hätte sich ihr Hirn aufgelöst wie die böse Hexe in der Waschanlage. *
    Als die Geschichte zu Ende war, lehnte sich Dess zurück und ließ ihre Gedanken schweifen, während sie den GPS streichelte. So entsetzlich das Ganze war, versprach es dennoch

    * Gemeint ist die böse Hexe des Westens

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