Das Dunkle
verpassen.
„Vielleicht musst du aber gar nicht dahin gehen, Dess.“
„Ich konnte mich in den Gedanken der Frau etwas umsehen, bevor dieses“ – Melissas Unterlippe fing an zu zittern –
„Wesen zu nah kam.“
„Sie hat von dem, was sie gesehen hat, ein bisschen was mit mir geteilt“, sagte Rex. „Vielleicht haben wir die Zahlen, die du brauchst.“
„Hä?“ Dess spürte, wie sich ihre Kehle zuzog, als sie den Ausdruck auf Rex’ und Melissas Gesichtern sah. Geteilt? An den beiden war noch etwas seltsam außer der latenten Postpolterhysterie.
Absolut unmöglich , erinnerte sich Dess.
„Wir werden versuchen, einen Teil davon niederzuschreiben.“ Rex hob die Schultern. „Sieht nach Plänen von einem Bauvorhaben aus, etwas, das mit dem Halbling zu tun hat.
Besteht aber hauptsächlich aus einem Haufen Zahlen, für mich also wie Griechisch.“
„Arabisch“, korrigierte Dess abwesend. Melissa warf ihr einen ihrer Blicke zu.
„Was?“, fragte Rex.
„Zahlen sind arabisch, Trottel.“ Sie riss ihre Augen von Melissa los. „So ist die ganze alte Mathematik. AI Gebra – wie in Algebra – war ein Araber vor tausend Jahren.“ Dess versuchte, nicht mehr über die beiden nachzudenken, und überlegte, wie man einen ganzen Zweig der Mathematik nach ihr benennen könnte. Dessologie? Dessochastik?
„Dessometrie?“, sagte Melissa laut. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen.
Dess schauderte. Erwischt.
Sie wedelte mit dem GPS. „Interessiert mich nicht, was ihr von ihr habt.“ Und wie ihr es geteilt habt. „Hiermit kriege ich alles, was ich brauche. Bringt mich einfach dahin.“
Rex und Melissa sahen sich an, und Dess gestand sich ein, dass sie beim Anblick des blanken Horrors auf ihren Gesichtern ein leichtes Hochgefühl überkam. Sie waren in der Tat immer noch bis ins Mark erschüttert.
Rex schüttelte den Kopf. „Jemand könnte den Ford gesehen haben. Der fällt in der Gegend irgendwie auf. Außerdem haben wir vielleicht Fingerabdrücke hinterlassen …“
Dess kicherte über ihre lahmen Ausreden und schlug Jonathan auf den Schenkel. „Auf geht’s, Flyboy. Wir fahren nach Darkling Manor.“
Er stand auf, fertig zum Gehen, und sah sie und Melissa verständnislos an. „Was ist Dessometrie?“
Sie lächelte. „Das erkläre ich dir unterwegs.“
1.45 Uhr nachmittags
11
„Die Kunst, Melissas Gedanken zu lesen“, sagte Dess leichthin.
„Wie?“ Jonathan überholte einen Truck und versuchte, dem Auto seines Vaters auf gerader Strecke mehr als hundert Sachen zu entlocken. Er hielt außerdem nach der Ausfahrt Ausschau, denn er hatte bei Wegbeschreibungen von Gedankenlesern so seine Zweifel. Er wollte Melissa nicht Unrecht tun, aber ihr Bezug zur Realität fiel manchmal reichlich dünn aus.
„Dessometrie. Du hast mich gefragt, was das ist.“
Jonathan sah sie an, wie sie, an den Fingernägeln kauend, vor sich durch die Windschutzscheibe starrte. Sie und Melissa hatten vorhin irgendwas miteinander gehabt – einen Wettbewerb im Anstarren, so hatte es jedenfalls ausgesehen. „Ja, stimmt. Und du kannst das? Ihre Gedanken lesen?“
„Also, wenn Rex dabei ist, geht es leichter. Er war es, der sie verraten hat.“ Der Sattelschlepper gab das Rennen mit ihm schließlich auf und fiel hinter ihm zurück. Jonathan entspannte sich. „Was hat er verraten?“
Dess rutschte neben ihm unruhig auf ihrem Sitz. „Ist dir diese gewisse … Schwärmerei zwischen den beiden nicht aufgefallen?“
„Hm.“ Er beschloss, den nächsten Truck vor ihnen nicht zu überholen. Um diese Zeit bevölkerten Waren aus Mexiko auf ihrem Weg durch Texas die Interstate. Selbst der kleinste LKW konnte den Wagen seines Vaters wie eine Wanze plattmachen.
In der Werbung konnten sie sich noch so viel Mühe geben, Jonathan hatte in diesem Jahr gelernt, dass Fahren nicht wie Fliegen war. Genau genommen war Fahren im Vergleich zum Fliegen reichlich ätzend. Flächenland mit achtzig PS war und blieb Flächenland.
Und seine Halsschmerzen von neulich Nacht waren noch nicht ganz weg. Er schluckte heftig, bevor er antwortete. „Ehrlich gesagt setzen die beiden mein Barometer für Schwärmerei ziemlich außer Gefecht. Geringfügige Schwankungen kriege ich meistens nicht mit.“
Dess kicherte neben ihm, bei dem leisen Glucksen musste er lächeln. Jonathan hatte in letzter Zeit mit Dess nicht viel zu tun gehabt, fiel ihm auf. Jedenfalls nicht, seit Jessica in die Stadt gekommen war.
„Fandest du die beiden nicht irgendwie …
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