Das Dunkle
Erde verstreut. Es gab noch keinen Rohbau, nur eine breite Zufahrt, die zu einem klaffenden Bauloch führte. Er überquerte das Grundstück zügig, weil er annahm, dass er weniger verdächtig wirken würde, wenn er eine Straße hinunterlief, als wenn er auf einem Bauplatz herumstreifte.
Da es ein Wochentag war, fuhren um diese Zeit wenige Autos an ihm vorbei, und niemand schien auf ihn zu achten. Die Hälfte der Häuser sah unbewohnt aus. Er roch die frische Farbe und sah die Nähte zwischen den gerade ausgerollten Rasenbahnen.
Darkling Manor war leicht zu entdecken. Es stand dem Spukhaus gegenüber, das im ersten Stock ein kaputtes Fenster hatte. Die Eingangstür war mit gelbem Polizeiband versiegelt worden. Jonathan fragte sich, was die Familie heute tat. Saßen sie vor dem Fernseher herum und versuchten, sich nicht zu fragen, was letzte Nacht passiert sein könnte? Oder waren sie vorübergehend in ein Motel gezogen?
Natürlich stand das wirklich verhexte Haus auf der anderen Straßenseite. Darkling Manor sah wie alle anderen Häuser in der Siedlung aus. Alles – Garage, Fenster, Rasen – war unnötig groß geraten. Die Einfahrt war leer, und Rex und Melissa hatten erzählt, dass sie kein einziges Möbelstück bemerkt hatten, weshalb also vermutlich niemand zu Hause war. Er ging um das Haus herum und versuchte, eher interessiert als verdächtig auszusehen.
An der Rückseite fand er den Balkon mit den Schiebetüren, den Rex beschrieben hatte. Er stellte sich darunter, so dicht am Haus, wie er konnte, hielt den GPS-Empfänger hoch und drückte auf Speichern. Die Zahlenkolonnen blieben stehen.
Dess hatte gesagt, das sei alles.
Jonathan hielt inne. Bei Tageslicht fand er das Haus nicht so unheimlich, wie er erwartet hatte. Es war so neu, ganz anders als alle anderen Plätze, an denen er bis jetzt Darklinge gesehen hatte. Er fragte sich, ob er drinnen einen Hinweis finden würde, etwas, aus dem sich schließen ließ, wem es gehörte und wer hinter der neuen Bedrohung für Jessica stecken mochte.
Zur Vorderseite zurückgekehrt, entdeckte er den Briefkasten. Das kleine rote Fähnchen zeigte Post an. Er ging über den Rasen, sah die immer noch verlassene Straße hoch und runter.
Sein Schritt verlangsamte sich, als er sie entdeckte. Aus dem Fenster des Spukhauses sah ihn eine Frau an. Sie sah aus, als hätte sie eine schlaflose Nacht hinter sich, ihr Blick war finster und voller Misstrauen.
Jonathan lächelte und winkte. Sie winkte nicht zurück. Er öffnete den Briefkasten und fand einen einzigen Brief, den er herausnahm. Dann winkte er noch einmal und kehrte zum Haus zurück.
„Mist“, flüsterte er. Die Eingangstür war vermutlich abgeschlossen, und seine Nackenhaare teilten ihm mit, dass er weiterhin beobachtet wurde. Er ging wieder zur Rückseite des Hauses, von der er gekommen war, und warf einen letzten Blick über seine Schulter.
Das Gesicht der Frau war noch immer im Fenster zu sehen, aber jetzt beobachtete sie ihn nicht mehr, sondern das Auto des privaten Wachdienstes, das die Straße heraufkam.
Jonathan stopfte den Umschlag in seine Tasche und rannte los, stürzte durch den Garten, setzte über einen niedrigen Zaun und stolperte in den Nachbargarten. Er ließ ein weiteres riesiges, verlassenes Haus hinter sich und überquerte die nächste Straße.
Er blieb in Bewegung, bis er keine Luft mehr bekam, wobei er Straßen überquerte, statt sie entlangzulaufen. Die übergewichtigen Mietbullen würden ihn zu Fuß nie erwischen, trotz seines Knöchels, der bei jedem Schritt aufheulte. Von rechts kam das Geräusch quietschender Reifen, als sie ihn mit ihrem Wagen zu verfolgen versuchten.
Am Rand des Baugebietes, wo Jonathan eingestiegen war, befanden sich die Häuser noch im Bau, und das Gelände wurde holprig. Einige Arbeiter beobachteten ihn schweigend, als er vorbeikam, großes Interesse zeigten sie nicht. Er wich Dreckhaufen und kaputten Steinen aus und sehnte sich nach zehn Sekunden Mitternachtsschwerelosigkeit, um hier rauszukommen. Ein kräftiger Sprung in die richtige Richtung würde ihn bis zu Dess zurückbringen.
Endlich erreichte er den Zaun. Er konnte den Wagen seines Vaters zwischen den Stäben sehen. Auf dieser Seite gab es aber keinen Termitenhaufen, keine Absätze für die Füße, nichts, um daran hochzuklettern.
Er wirbelte herum. Der Wagen des Wachdienstes kroch hundert Meter weiter ins Blickfeld, als er die Straße verließ und über die nackte Erde der unbepflanzten Grundstücke
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