Das Dunkle
Morgen falsch.“
Jessica hielt inne, obwohl sie wusste, dass Pausen bei Beth eine schlechte Lösung waren. Dann hielt sich ihr kleines Hirn für schlauer, als es eigentlich war. „Stimmt, ich glaube, die geht vor.“
„So ist es. Aber genau eine Stunde? Jeden Morgen?“
„Mir fehlt die Chicagoer Zeit“, sagte Jessica und spürte, wie ihr ein Schweißtropfen den Rücken hinunterlief. Was war Beth noch alles aufgefallen?
„Netter Versuch. Chicago und Bixby haben die gleiche Zeit.“
Jessica stöhnte. „Okay, Beth, du hast gewonnen. Ich fliege jede Nacht auf meinem Besen nach New York, um an wilden Partys teilzunehmen, und morgens vergesse ich dann manchmal, meine Uhr auf Bixbyzeit wieder zurückzustellen. Zufrieden?“
Beth setzte sich aufs Bett und nickte langsam. „Nicht unbedingt, aber wenigstens kommen wir irgendwohin.“
„Du für deinen Teil kommst vor allem in Schwierigkeiten.
Geh jetzt. Das hier ist mein Zimmer!“
„Dann ruf nach Mom.“
Jessica holte tief Luft und machte ihren Mund auf, aus dem aber nur eine neue tödliche Pause kam, die sich unter Beths ständig breiter werdendem Grinsen nicht unterbrechen ließ.
„Hätte mich auch gewundert. Und noch etwas, Jess, ich wollte dich am Sonntag wecken. Seltsamerweise konnte ich aber deine Tür nicht aufmachen.“
„Vielleicht hatte ich abgeschlossen.“
Beth schnaubte verächtlich. „Deine Tür hat kein Schloss.
Ich bin deine kleine Schwester – solche Sachen weiß ich. Ich vermute, du hast das hier druntergeklemmt.“ Sie nahm den Türstopper vom Boden, mit dem Jessica seit der Nacht, in der sie den Stalker entdeckt hatten, die Tür blockierte.
„Der gehört mir.“
Beth ließ ihn lächelnd aufs Bett plumpsen. „Stimmt. Und wenn ich herausfinde, was du vorhast, dann gehörst du mir.“
Jessica sah auf ihre Uhr. Sechs Minuten. Wenn die Darklinggroupies jetzt gleich hereinplatzen würden, könnte sie in ihren Schrank hüpfen, und sie würden in dem Durcheinander Beth mit ihr verwechseln und mit ihr in die Badlands verschwinden, wo sie die Darklinge nerven könnte, bis sie sich gezwungen sehen würden, in noch eine verborgene Stunde oder vielleicht gleich in eine ganz andere Dimension zu verschwinden. Ein Doppelsieg.
„Wartest du auf jemanden?“, fragte Beth.
„Ja … auf dich. Dass du gehst.“
„Auf jemanden der um, äh …“ Beth riss das T-Shirt vom Wecker. „Zwölf?“
Jessica schüttelte ihren Kopf. Ihr Herz klopfte zu heftig, um zu antworten. Wenn sie ganz still stehen blieb und genau zu der Stelle zurückkehren würde, wenn die Stunde vorbei war, würde Beth eine minimale Veränderung ihrer Position nicht auffallen.
Beth schien aber jede Veränderung aufzufallen.
Sie saß auf dem Bett und ihr Blick schweifte durchs Zimmer. „Du hast im Großen und Ganzen Hausarrest, aber morgens ist immer Dreck an deinen Turnschuhen. Und Rost- und Fettflecke auf deinen Jeans. Sieht aus, aus würdest du jede Nacht zum Mülltonnentauchen gehen.“
Jessica biss ihre Zähne zusammen. Beth musste wochenlang hinter ihr hergeschnüffelt haben, vermutlich, seit sie in Bixby angekommen waren. Die ganze Zeit hatte sie sich Sorgen gemacht, weil ihre arme kleine Schwester keine Freunde hatte und sich in der neuen Stadt nicht einlebte, während die kleine Schnüfflerin mit Spionieren beschäftigt war.
Jessica kam auf die Idee, Beth vielleicht wirklich einen kleinen Einblick zu gewähren. Sie brauchte bloß bis Mitternacht zu warten, direkt vor Beths überheblicher Rotznase zu verschwinden und stattdessen hinter ihr oder in einem ganz anderen Zimmer wieder aufzutauchen.
Allerdings würde Beth, wenn sie vor deren Augen verschwand, anfangen, darüber zu reden. Mom und Dad würden ihr zwar nicht glauben, wenn sie aber in der Schule jemandem davon erzählen würde, könnte die Geschichte irgendwie bei den Midnightern landen. Rex würde sich bestimmt nicht sonderlich darüber freuen.
Schlimmer noch, statt zu erschrecken, könnte Beth eventuell beschließen, jede Nacht um Mitternacht aufzutauchen, um herauszukriegen, was sich genau abspielte.
„Hast du geglaubt, ich würde nicht merken, wie glücklich verliebt du bist?“, fuhr Beth fort. „Oder warst, jedenfalls bis du seit Sonntagnacht total paranoid geworden bist. Und jetzt wedelst du mit dem Ding in der Gegend rum.“ Beth deutete auf das Fahrradschloss, das Jessica immer noch in der Hand hielt. „Dieser Typ, mit dem du geschnappt worden bist, Jonathan – der hat ziemlichen Trouble
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