Das Dunkle
ein gedämpfter Schrei. Es folgte ein energischer Schlag, vermutlich ein Tritt.
Jessica lehnte sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Tür und sah zu, wie Mitternacht kam und ging. Das war das Problem mit Quarzuhren, behauptete Rex immer. Sie verloren Tag für Tag ein paar Sekunden.
„Ich bring dich um! Wenn du diese Tür nicht in fünf Sekunden aufmachst, dann schreie ich.“
Fünf Sekunden müssten reichen , dachte Jessica.
„Eins, zwei, dr…“
Das vertraute Zittern kam, ein Beben des stabilen Holzbodens unter ihren Füßen und der Tür an ihrer Schulter, gleichzeitig mit der verstummenden kleinen Schwester und dem Abbruch des heulenden Oklahomawindes. Mit dem Raum ging eine Veränderung vor, nach der alles reglos und flach und von innen in einem schwachen Blau beleuchtet wirkte.
Jessica seufzte. Der angekündigte Schrei war mit ziemlicher Sicherheit unvermeidlich, und vielleicht hatten ihre Eltern den Streit ohnehin schon mitbekommen. Dabei war es Beth gewesen, die in ihr Zimmer eingedrungen war und sich geweigert hatte zu gehen. In jedem Fall lagen alle Erklärungen und Schuldzuweisungen auf der anderen Seite der geheimen Stunde.
Sie ließ die Schranktür geschlossen. Sie konnte sich keinen schlimmeren Anblick vorstellen als Beths erstarrtes, schreibereites Gesicht, totenbleich und wütend. Jessica bewaffnete sich mit Leuchtangriff und Demonstration und zog ihre Turnschuhe an, dann entriegelte sie ein Fenster, schob es hoch und schwang ein Bein über das Sims.
Sie warf einen letzten Blick zurück in ihr Zimmer und war einen Moment stolz auf sich, weil sie der Versuchung widerstanden hatte, Geheimnisse zu verraten. Sie hatte sich erwachsen gezeigt und Beth vor der Wahrheit bewahrt. Vielleicht würde sie sich sogar entschuldigen, wenn ihre kleine Schwester aus dem Schrank herauskam.
„Wir sehen uns in einer Stunde, Süße“, rief Jessica und ließ sich draußen zu Boden sinken.
acariciandote
12.00 Uhr Mitternacht
14
„Da!“ Jessica streckte ihre freie Hand aus, durch die Bewegung vollführten die beiden eine langsame Drehung.
Jonathan sah unter sich. „Ich kann Rex und Melissa nirgendwo entdecken.“
„Ich auch nicht. Nur das Auto. Ist schwer zu übersehen.“
Jonathan lachte. „Vermutlich lässt sich so ein altes Teil nur mit reichlich Gedankenleservoodoo am Laufen halten.“
Er zog sie an ihrer freien Hand dichter an sich heran. Ihre Drehbewegung verlangsamte sich, während sie abwärtsschwebten, irgendwie hatte er die Drehung mit seiner Bewegung rückgängig gemacht. Jessica ärgerte sich. Wieder diese Sache mit der Gleich- und Gegenreaktion. Jonathan wusste instinktiv, wie das ging, während sie sich dabei immer völlig ausgeliefert vorkam.
Ihr Ärger war jedoch schnell verflogen. Der Augenblick fühlte sich zu gut an, um sich zu ärgern – im Fallen den Kopf an seine Brust gelehnt. Sie schloss die Augen und spürte an der Anspannung seiner Muskeln, wann sie landen würden.
Ihre Beine verschränkten sich kurz, als sie den Boden berührten, die Knie beugten und ihre Körper aneinanderpressten, um sich gegenseitig zu stützen.
Sie sprangen wieder ab, Jessica folgte Jonathans Führung, seine beiden Hände mit ihren haltend. Sie öffnete die Augen: Der Sprung war gerade hoch genug ausgefallen, um das Haus zwischen ihrem letzten Landeplatz und dem geparkten Ford zu überwinden.
Als sie den höchsten Punkt erreicht hatten, sagte er: „Dir scheint es heute Nacht besser zu gehen.“
„Besser als wann?“
„Heute Nachmittag.“
„Ach das.“ Es hatte eine Menge zu verdauen gegeben, das mit Darkling Manor und dem Halbwesen und irgendwas Verworrenes von Dess, die meinte, dass sich Rex und Melissa
… berühren würden. „Es ist bloß eine lange Woche gewesen.“
„Wir haben Montagnacht, Jess.“
„Genau das sag ich doch. Du hast aber recht, es geht mir jetzt besser.“ Mit Jonathan zusammen in der geheimen Stunde war immer alles besser. „Außerdem ist es offiziell teilweise schon Dienstag.“
Sie landeten auf der Straße in der Nähe des Autos. Jonathans Sachen plusterten sich ein bisschen auf, als sie mit einer Schraube zum Stehen kamen.
„He! Das fällt mir jetzt erst auf … du hast ja eine Jacke an!“
Sie trat zurück und sah ihn überrascht an, während sich das normale Gewicht wieder auf sie herabsenkte.
Jonathan zuckte mit den Schultern. „Für den Fall, dass ich nach Hause laufen muss. Weißt du, falls wir den Stalker finden und ich ihn am Ende verfolgen
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