Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dunkle

Das Dunkle

Titel: Das Dunkle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
Vom Netzwerk:
mit der Polizei, oder?“
    „Beth, du weißt nicht, wovon du redest.“
    „Das stimmt, ich weiß es nicht. Ich bin dem Typen nie begegnet. Soweit ich weiß, könnte der ein kompletter Psycho sein.“ Sie senkte den Blick zu Boden. „Jess, ich mach mir Sorgen um dich.“
    Jessica blinzelte. „Du tust was?“
    „Mir Sorgen machen. Um dich.“ Beth zog ihre Knie an sich und umschlang sie mit den Armen. Das überhebliche Lächeln war von ihrem Gesicht verschwunden. „Du bist noch nie von Bullen nach Hause gebracht worden oder hast dich rumgetrieben oder mich belogen.“
    „Beth, ich hab dich nicht …“
    „Du belügst mich inzwischen andauernd, Jessica. Ich weiß das.“ Beth sah sie herausfordernd an. „So warst du nicht, bevor wir in diese blöde Stadt gezogen sind. Früher kannte ich alle deine Freunde.“
    Jessica schluckte. Das schien lange her, wie aus einem anderen Leben, aber sie erinnerte sich. Bevor Mom und Dad den großen Umzug nach Bixby verkündet hatten und die Packerei und die vielen Abschiede aus Beth einen Vollzeitjammerlappen gemacht hatten, hatten die beiden immer miteinander geredet. Sich meistens gefoppt und gestritten, aber belogen hatten sie sich nie.
    „Beth. Ich will keine Geheimnisse vor dir haben. Es ist bloß
    …“ Jessica konnte nicht weitersprechen. Beth sah sie so sehnsüchtig an. Sie brauchte etwas, woran sie sich hier in Bixby halten konnte.
    Es wäre so einfach, ihr alles zu sagen.
    Schuldbewusst stellte sich Jessica den ehrfürchtigen Blick ihrer kleinen Schwester vor. Beth würde ihr zuerst nicht glauben, aber Jessica konnte in zwei Minuten alles beweisen, indem sie mit einem Wimpernschlag von einem Ort zum anderen sauste. Beth würde die Wahrheit akzeptieren müssen, und Jessica würde eine Verbündete haben, die ihr Rückendeckung gab. Es würde auf der Welt eine Person weniger geben, die sie betrügen musste.
    „Beth …“
    „Was?“
    Die Worte kamen nicht, natürlich nicht. Sie würde sich selbst dafür hassen, dass sie geredet hatte. Jahrelang hatten die anderen das Geheimnis vor allen verborgen – vor Freunden, Familie, der Polizei, die Bixbys gnadenlose Sperrstunde kontrollierte. Angenehm war das nicht, aber was sollten sie sonst tun? Rex sagte, dass viele Leute über die blaue Zeit Bescheid gewusst hatten – mit dem Resultat, dass eines Tages alle Midnighter einfach verschwunden waren. Verschwiegenheit war ihr einziger echter Schutz. Gerade jetzt waren ihre Rollos unten und ihre Fenster verschlossen, weil jemand da draußen Bescheid wusste.

    Und es gab Schlimmeres als den Mann mit der Kamera. Jessica sah das Bild des Halblings im Geiste vor sich. Die blaue Zeit war nicht nur ein Geheimnis. Sie steckte voller Schrecken.
    Sie konnte ihre Albträume nicht einfach über ihrer kleinen Schwester ausschütten – das war nicht fair. Die ganze Idee war dumm und egoistisch.
    Jessica seufzte und sah wieder auf ihre Uhr. Noch vierzig Sekunden. „Ich zeige dir was.“
    Beth sah sie mit großen Augen an. „Ernsthaft?“
    Jessica lächelte – nur noch eine Lüge heute Nacht. „Ehrlich.
    Komm her.“
    Sie öffnete die Tür zu ihrem Schrank und deutete in die Finsternis. Sie musste Beth eigentlich nur für ein paar Sekunden ablenken. Solange sie Jessica nicht um Punkt Mitternacht sah, würde ihre kleine Schwester nichts mitbekommen.
    Beth stand auf und durchquerte das Zimmer. Mittlerweile war sie wieder misstrauisch geworden. „Da ist niemand drin, oder?“
    „Bestimmt nicht.“ Sie schaltete die Deckenbeleuchtung ein, aber Beth zögerte, als ob ihr das alles zu einfach vorkommen würde. „Jetzt komm schon.“ Jessica packte ihre Schwester an der Schulter und schob sie auf den Schrank zu. Fünfzehn, vierzehn …
    „Was?“ Beth starrte in die Finsternis.
    „Guck einfach hin. Deine Augen gewöhnen sich dran.“
    Zehn. Jessica nahm ihre Hand von Beths Schulter und trat rückwärts aus deren Blickfeld. Beth drehte sich um und verfolgte ihre Bewegungen.
    „Komm nicht auf die Idee, mich irgendwie …“
    „Du musst dahin sehen!“, blaffte Jessica. Die Sache wurde komplizierter, als sie erwartet hatte. Beth ließ sich so leicht lenken wie eine Katze. Und ihre Uhr stimmte auch nicht immer auf die Sekunde. Es gab nur einen Weg, wenn man sichergehen wollte …
    „Jess, dadrin ist nichts außer …“
    Ihre kleine Schwester protestierte, als Jessica sie in den Schrank schob, die Kleiderbügel klapperten. Sie schwenkte die Tür zu, bis es klickte.
    „Jess!“, ertönte

Weitere Kostenlose Bücher