Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dunkle

Das Dunkle

Titel: Das Dunkle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
Vom Netzwerk:
zu meiner Zeit gab es Karten. Man musste nicht jedes Mal ein Universalgenie fragen, wenn man ein Haus bauen wollte. Möchtest du Tee?“
    Dess blinzelte wieder, wobei ihr auffiel, dass sie kein Wort gesagt hatte, seit sie über die Schwelle getreten war. Ihre Augen hatten sich schnell an das Dämmerlicht gewöhnt, aber ihr Hirn war von dem Durcheinander überwältigt, das sie überall vorfand: rostige Tridecagramme, Stadtwappen von Bixby, Fenstergitter aus dreizehn Stahlstäben, Feuerroste mit einem feinmaschigen Neununddreißigernetz. Antidarklingantiquitäten türmten sich an allen Wänden, zusammengewürfelt zu unförmigen Metallskulpturen, die geradezu danach schrien, dass jemand ihre Winkelverhältnisse berechnete.
    Sie wollte antworten, als der Teekessel aus einem anderen Zimmer pfiff und sich von einem leisen Heulen zu einem verärgerten Geschrei steigerte.
    „Ich nehme das als ja“, sagte die alte Frau. „Zu meiner Zeit brauchten junge Leute nicht so lange, um eine einfache Frage zu beantworten.“
    Dess klappte den Mund wieder zu.

    Rex würde ausflippen, wenn er das hier sehen könnte. Daneben sah seine historische Sammlung wie ein schäbiger Wanderzirkus aus. Hier fanden sich die Midnightererbstücke einer ganzen Stadt, der Nachlass verlorener Generation rostete still vor sich hin. Dess fragte sich, ob sie hier auch Lehre finden würde, mehr als die paar Kritzeleien, mit denen Informationen unsichtbar an Wüstenfelsen festgehalten worden waren. Vielleicht gab es eine Bibliothek vom gleichen Ausmaß wie dieser Flohmarkt, den sie hier sah? Sie würde fragen müssen. Es gab da einiges, was sie fragen würde, wenn sie ihren Mund einmal wieder in Gang gebracht hatte.
    „Milch und Zucker?“ Die gebellte Frage und das klappernde Teetablett kündigten die Rückkehr der alten Frau an.
    „Nur Milch.“ Dess konnte Tee nicht ausstehen, anscheinend war es aber zu spät, um es zu erwähnen.
    „Sehr vernünftig“, sagte die alte Frau. „Milch kleidet den Magen aus, und Zucker macht die Zähne kaputt. Ich fasse nie irgendwelchen Zucker an.“ Sie lächelte breit und entblößte zwei vollständige Reihen makellos weißer Zähne. „Du würdest nie glauben, dass ich seit neunundvierzig Jahren nicht mehr beim Zahnarzt war.“
    Dess schluckte. „Nein, das würde ich sicher nicht.“
    Das Teetablett hörte auf zu klappern, als es vor Dess auf dem Tisch platziert wurde. Die Frau setzte sich ihr gegenüber und nahm die Fäden, die an der Teekanne herabhingen, um die Teebeutel energisch auf und ab zu tunken. „Kann mich nicht auf mich verlassen, wenn sie mit dem Lachgas anfangen.
    Könnte ich auch gleich einen Zeppelin mieten, um zu verbreiten, wo ich bin.“
    Diese Worte wirbelten Dess kurz im Kopf herum, bis sie mit plötzlicher Klarheit innehielten.

    „Sie sind Gedankenleser“, sagte sie.
    „Und du hast ein sicheres Gespür für alles, was auf der Hand liegt.“ Die Frau ließ die Teebeutel mit einem nassen Klatschen auf eine Untertasse fallen. Sie schenkte zwei dampfende Tassen ein, dann fügte sie bei beiden großzügig Milch hinzu.
    Ein kurzes Schweigen senkte sich über die Teegesellschaft.
    Die alte Frau nippte vorsichtig, und Dess wärmte sich die Hände an ihrer Tasse. Von dem blumigen Geruch des Gebräus drehte sich ihr der Magen um. Der einzige Tee, den sie mochte, war Eistee, mit so viel Zitrone und Zucker, dass es sich eher um Limonade mit Koffein handelte.
    Sie fragte sich, ob die Frau ihre Abneigung spüren konnte oder ob der Dämmungseffekt in dem Haus zu stark war.
    Wie lange hatte sie gesagt? Neunundvierzig Jahre … die Zahl nannte Rex jedes Mal für die letzte Niederschrift der Lehre. Sie konnte aber doch nicht die ganze Zeit in diesem heruntergekommenen Haus gehockt haben, oder?
    Die Frau schien darauf zu warten, dass sie etwas sagte.
    „Äh, ich heiße übrigens Dess.“
    „Natürlich heißt du so“, schnauzte die Frau. „Ich kenne alle eure Namen. Trotzdem ist es höflich, dass du es mir sagst, Desdemona. Ich heiße Madeleine.“
    „Freut mich, Sie kennenzulernen“, sagte Dess. Sie spürte, wie sich ihre Erziehung unter dem scharfen Blick der Frau durchsetzte.
    „Ganz meinerseits. Obwohl ich euch alle natürlich ziemlich gut kenne.“
    „Natürlich …“ Dess runzelte die Stirn. „Sie können uns also von hier drinnen schmecken? Sie können Gedanken lesen, obwohl hier eine tote Zone ist?“

    „Tote Zone? Was ist das denn für ein gequirltes Gefasel?“
    Madeleine nahm ihren

Weitere Kostenlose Bücher