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Das Dunkle

Das Dunkle

Titel: Das Dunkle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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furchtbar hässliche Brille. Inzwischen kann ich natürlich nur noch vor die Tür, wenn Melissa in der Schule ist. Armes Mädchen.“
    Dess runzelte die Stirn. Madeleine hatte mit ihrer Antwort nur noch mehr Fragen aufgeworfen. Perücken? Vor wem versteckte sie sich?
    Der letzte Teil machte wenigstens Sinn.
    „Deshalb hat Melissa Sie nie geschmeckt, oder?“
    „Genau. Normalerweise würde sie einen anderen Gedankenleser wie ein brennendes Ölfeld am Horizont entdecken.
    Ohne die Bixby Highschool säße ich hier den ganzen Tag fest.“ Die alte Frau schüttelte den Kopf. „Und merk dir, Dess: Sie darf es nie erfahren. Alles, was Melissa im Kopf hat, findet früher oder später seinen Weg hinaus in die Wüste. In der blauen Zeit ist niemand Herr seiner Gedanken.“
    Zwischen ihnen trat wieder Stille ein. Dess wusste, dass sie mehr herausfinden sollte, und wünschte sich beinahe, Rex wäre hier. Er hatte viel für Zeitabläufe übrig, geordnete Sequenzen von Ereignissen. Fang am Anfang an , würde er fordern. Aber wo war hier der Anfang? Geschichte war so ein Durcheinander, wie eine endlose Gleichung, bei der jeder Schritt nur zu einem Haufen neuer Variablen führte. Sie saß eine Weile reglos da und versuchte, aus dem Knäuel in ihrem Kopf die richtige Frage herauszuziehen.
    „Aber was … ist passiert?“, fragte sie schließlich.
    Die Frau seufzte. „Sie haben gewonnen.“
    Dess blinzelte und trank einen Schluck Tee. Er war lauwarm und bitter, machte aber ihren Kopf klarer.
    „Der Ölboom war schuld daran“, fuhr Madeleine fort.
    „Bixby war eine große Familie, bis all diese Leute kamen, das ganze Geld. Wir wussten, wem man vertrauen konnte und wem nicht.“
    Dess versuchte, sich das Bixby von damals vorzustellen. Dabei kam aber nicht mehr als ein verschneites Schwarz-Weiß-
    Video heraus, in dem einfache Leute Limonade tranken, Patchworkdecken nähten und sich aus Feuerwehrautos zuwinkten. Irgendjemand musste aber Berechnungen angestellt, Waffen hergestellt und den Darklingen in den Hintern getreten haben. Außerdem hätten sie Sonnenbrillen getragen, oder nicht? Die meisten Midnighteraugen kamen mit vollem Sonnenlicht nicht zurecht. Hatte man damals überhaupt Sonnenbrillen?
    Sie schüttelte sich die Vision aus dem Kopf. „Vor sechzig Jahren, oder? Rex sagt immer, von da an war alles anders.“

    „Ein kluger Junge, euer Rex.“ Madeleine lächelte. „Bixby hat den Dust Bowl und die große Depression überlebt; es war das schnelle Geld, das uns ruiniert hat. Als junges Mädchen fand ich das natürlich aufregend. Neue Gesichter, Kleider aus einem Laden, unser eigenes Kino. Aber einige Zeit später kannten wir unsere Nachbarn nicht mehr.“ Sie biss die Zähne zusammen. „Ich erinnere mich an den Sommer, in dem es passiert ist.“
    Ein kalter und unsichtbarer Finger fuhr Dess den Rücken hinauf. „Als sie kamen und alle holten?“
    Die alte Frau zog eine Augenbraue hoch. „Oh nein, das nicht. Ich rede von den Klimaanlagen.“
    „Hä?“
    „Im Sommer 1949, ich war gerade elf geworden. Wir spielten den ganzen Tag, bis es dunkel wurde, was im Sommer ziemlich spät passierte. Kleine Kinder und Teenager zusammen, während sich die Erwachsenen gegenseitig auf ihren Veranden besuchten. Alle waren draußen, jeder konnte jeden sehen.“ Madeleine schlang ihre Arme um ihre Schultern.
    „Aber dann spielten wir eines Abends, und als wir aufsahen, waren alle Erwachsenen verschwunden.“
    Dess schluckte. „Darklinge?“
    „Nein.“ Die alte Frau schüttelte traurig den Kopf. „Klimaanlagen. Es war die erste richtig heiße Nacht in jenem Sommer, und sie waren alle reingegangen, hatten ihre Türen so fest verschossen, wie sie konnten. Statt unserer Eltern und Nachbarn gab es für uns nur noch eins zu sehen: das blassblaue Leuchten hinter den Fenstern.“
    „Ein blaues Leuchten? Wie in der Midnight?“
    „Nein. Fernseher.“
    „Was?“

    „Du musst ein bisschen besser aufpassen, meine Liebe“, sagte Madeleine streng. „In jenem Sommer war das ganze Geld aus dem Ölboom für Klimaanlagen und Fernseher ausgegeben worden. Das war der Anfang vom Ende.“
    Dess räusperte sich. „Moment mal – wollen Sie damit sagen, dass Sie wegen der Klimaanlagen gegen die Darklinge verloren haben?“
    Madeleine hob nachdrücklich einen Zeigefinger. „Und den Fernsehern. Man darf das Fernsehen nicht außer Acht lassen.
    Siehst du, Dess, nach jenem ersten Abend blieben die Erwachsenen drinnen und sahen sich Mr Jack Benny an,

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