Das Dunkle
vorzurücken.
Könnte sogar sein, dass ich dann wieder frei bin.“
Dess riss die Augen auf. Vielleicht war das die ganze Zeit Madeleines Motivation gewesen. Es ging nicht darum, Rex zu retten; es ging darum, ihre eigene kleine Armee aufzubauen, um sie aus ihrem Schloss der temporalen Kontorsionen zu befreien.
„Also warten wir einfach, bis der Halbling stirbt?“, fragte sie.
Madeleine schüttelte den Kopf. „Sie werden versuchen, einen neuen zu schaffen, mit meinem Rex. Aber ihr müsst dafür sorgen, dass ihnen das niemals gelingt, Dess.“
Sie schluckte. „Wie?“
Madeleine legte ihren Kopf zurück und schloss die Augen.
Für einen Moment sah sie wie Melissa aus, wenn sie wegdriftete – mit sinnlichem Gesicht, aber unmenschlich abwesend.
„Ein menschliches Wesen mit einem Darkling zusammenzuführen, ist eine knifflige Sache. Der Ort, an dem Anathea verwandelt wurde, muss ein besonderer gewesen sein, so einmalig wie der Platz, an dem wir jetzt sitzen. Ihr müsst Jessica da hinbringen und ihn mit der Macht des Flammenbringers niederreißen. Wenn dort einmal weißes Licht gebrannt hat, ist er ruiniert.“ Sie öffnete ihre Augen. „Sie werden nie wieder einen Halbling erschaffen.“
„In Ordnung“, sagte Dess. „Sagen Sie mir wo.“
Madeleine hob die Schultern. „Ich fürchte, er ist auf den alten Karten nicht verzeichnet, und er ist so verborgen wie wir an dieser Stelle. Du wirst ihn selbst finden müssen.“
Dess kaute auf ihrer Lippe und dachte an die Karten und Berichte, die Jessica und Jonathan in der vergangenen Nacht vorbeigebracht hatten, die Landebahn, die wie ein schwarzer Balken in die Wüste hineinragte, dessen einfache Geometrie sich unter die Spiralen und Wirbel der Midnight mischte. Und plötzlich, ohne genau zu wissen, wo ihr Ziel lag, wurde Dess klar, was die Darklinge so sehr in Panik versetzt hatte.
„Wissen Sie von der Landebahn?“, fragte sie.
Madeleine nickte, langsam breitete sich ein erhabenes Lächeln auf ihrem Gesicht aus, das an eine Katze erinnerte.
„Nun, Desdemona. Ist das nicht ein angenehmes Gefühl, wenn der Verstand endlich über das Offensichtliche hinauswächst?“
Auf dem Heimweg fragte sich Dess, warum sie Madeleine half.
Die Frau hatte sie herumgezerrt wie einen Hund an der Leine, ihre Träume manipuliert, ohne zu fragen. Sie hatte einen Teil von Dess’ Erinnerung mit Brettern vernagelt, um sich selbst vor den Darklingen zu schützen. Außerdem hatte sie Dess’ Mutter herumgeschubst, als diese äußerst verletzbar war, sie gedrängt, damit sie genau im richtigen Moment um Mitternacht gebar.
Und das hatte sie mit zahllosen anderen ebenfalls getan, lauter 11.59er und 00.01er, die nicht ganz ins Schwarze getroffen hatten, nur um für ihren geliebten Rex eine Armee zusammenzustellen.
Ein Wagen fuhr vorbei und wirbelte Kies auf, der klirrend in die Speichen von Dess’ Rad spritze. Ihr Schatten vor ihr war lang, die letzten wärmenden Strahlen in ihrem Rücken verflossen. Wieder lag eine lange, kalte Heimfahrt vor ihr.
Als sie an zu Hause dachte, fragte sich Dess für einen Moment, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie zu diesen 11.59ern gehört hätte. Würde sie sich dann auch so gut mit Zahlen auskennen? Vielleicht waren auch die gut in Mathe, die nur zufällig um Mitternacht zur Welt kamen. Aber ohne die geheime Stunde wäre es nicht dasselbe gewesen. Sicher, sie könnte immer noch Brücken bauen, Computerspiele entwerfen oder Raketen ins Weltall schießen, aber in der normalen Zeit war Mathe nicht mehr als ein Werkzeug für Ingenieure.
Und natürlich etwas von eigener Schönheit, eine erstarrte Musik aus Werten und Verhältnissen und Formeln.
Aber in der blauen Zeit war Mathe einfach geil.
Normal geboren worden zu sein wäre ätzend gewesen. Sie wäre nur eins von den Kids geworden, die neben einer Wohnwagenkolonie wohnten. Klar, eins, das problemlos die besten Noten in Trigonometrie abgriff und wusste, dass es diese schäbige Stadt eines Tages hinter sich lassen und an der Börse massenweise Kohle scheffeln würde oder so.
Sie hätte aber nie eine Waffe wie Formvollendet Hochlodernder Illusionismus geschmiedet und damit einen Darkling abgeschlachtet. In der Daylightwelt gab es keine Darklinge zum Abschlachten.
Vielleicht war das der Grund, weshalb sie Madeleine half.
Obwohl das alte Miststück manipulierte, konnte Dess sich nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben als in jener Welt, die diese Manipulationen geschaffen hatten. In
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