Das Echo aller Furcht
Geratewohl gewählt. Kaum jemand konnte also in Erfahrung gebracht haben, daß Ryan und Ben Jakob sich hier umsahen, und keine Organisation hatte genug Personal, um eine ganze Stadt abzudecken, von den russischen Sicherheitskräften in Moskau vielleicht abgesehen. Trotzdem: warum der Blickkontakt?
Nun denn. Clark prägte sich das Gesicht ein und speicherte es zu Hunderten anderen in seiner internen Datenbank ab.
Ghosn setzte seine Streife fort. Er hatte alle erforderlichen Bücher besorgt und observierte nun die Schweizer Soldaten, wie sie sich bewegten, wie zäh sie aussahen. Avi Ben Jakob, dachte er, eine verpaßte Gelegenheit. Solche Ziele boten sich nicht jeden Tag. Er schritt weiter übers Kopfsteinpflaster und schaute scheinbar ziel- und ausdruckslos in die Runde. Er nahm sich vor, in die nächste Seitenstraße einzubiegen, seine Schritte zu beschleunigen und vor den Schweizern die nächste Kreuzung zu erreichen. Was er in ihnen sah, mußte er bewundern; gleichzeitig bereute er, dem Anblick ausgesetzt gewesen zu sein.
»Prima gemacht«, sagte Ben Jakob zu Clark. »Ihr Untergebener ist gut ausgebildet.«
»Er macht sich ordentlich.« Clark beobachtete, wie Ding im Bogen auf seinen Posten auf der gegenüberliegenden Straßenseite zurückkehrte. »Haben Sie den Mann erkannt?«
»Nein. Wahrscheinlich haben meine Leute ein Bild von ihm. Wir werden es überprüfen, aber vermutlich handelte es sich um einen jungen Mann mit normalem Hormonspiegel.«
Ben Jakob machte eine Kopfbewegung in die Richtung der Holländerin.
Clark war überrascht, daß die israelischen Leibwächter nicht eingegriffen hatten. Eine Einkaufstasche konnte alles mögliche enthalten, in dieser Umgebung wohl eher Negatives. Er haßte diese Arbeit. Auf sich selbst aufzupassen war eine Sache – er blieb grundsätzlich mobil, wählte seinen Kurs willkürlich, änderte die Gangart, hielt immer die Augen nach Fluchtrouten oder potentiellen Hinterhalten offen. Ryan aber, der zwar ähnliche Instinkte hatte und taktisch recht flink war, verließ sich nach Clarks Geschmack viel zu sehr auf seine Leibwächter.
»Und sonst, Avi?« fragte Ryan.
»Die ersten Einheiten Ihrer Kavallerie richten sich gerade ein. Unseren Panzersoldaten ist Ihr Colonel Diggs sympathisch. Nur das Regimentswappen finde ich etwas sonderbar. Ein Bison ist doch im Grunde nur eine wilde Kuh.« Avi lachte in sich hinein.
»Ein Büffel ist wie ein Panzer, Avi. Es ist unklug, sich vor ihn zu stellen.« Ryan hätte gern gewußt, was passierte, wenn die Zehnte Kavallerie zum ersten Mal als Manövergegner gegen die Israelis antrat. Bei der US-Army war man weithin der Ansicht, daß die Israelis überbewertet waren, und Diggs galt als aggressiver Taktiker.
»Ich kann wohl dem Präsidenten melden, daß die Lage hier sehr vielversprechend aussieht.«
»Zu Schwierigkeiten wird es trotzdem kommen.«
»Gewiß, Avi. Das Millennium kommt erst in ein paar Jahren«, bemerkte Jack. »Hatten Sie denn wirklich erwartet, daß alles reibungslos klappt?«
»Nein«, gab Ben Jakob zu und holte Geld für die Rechnung aus der Tasche. Dann erhoben sich beide. Clark ging über die Straße zu Chavez.
»Nun, was war das?«
»Nur dieser eine Typ. Große Einkaufstasche, aber es waren offenbar nur Bücher drin, Lehrbücher übrigens. In einem steckte noch die Quittung. Ausgerechnet über Nuklearphysik! Jedenfalls ein Titel, den ich lesen konnte. Ein Riesenwälzer. Na, vielleicht studiert der Typ. Und die Kleine da drüben ist Klasse.«
»Wir sind im Dienst, Mr. Chavez«, mahnte Clark.
»Kein Problem, die ist nicht mein Typ.«
»Was halten Sie von den Schweizern?«
»Echt brutal. Mit denen lege ich mich nur an, wenn ich den Zeitpunkt und das Gelände wählen darf.« Chavez machte eine Pause. »Haben Sie gemerkt, wie der Typ die Schweizer anstarrte?«
»Nein.«
»Es sah so aus ... als wüßte er genau ...« Domingo Chavez hielt inne. »Klar, die Leute hier kriegen viele Soldaten zu sehen, aber der Typ hat sie ganz fachmännisch gemustert. Deswegen fiel er mir zuerst auf, noch ehe er Sie und den Doc anstarrte. Er hatte einen intelligenten Blick, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Was fiel Ihnen sonst noch auf?«
»Straffer Gang, schien einigermaßen fit zu sein. Weiche Hände, offenbar kein Soldat. Dem Alter nach vielleicht noch Student.« Chavez machte wieder eine Pause. Jesucristo! Die Paranoia in diesem bescheuerten Job! »Er war unbewaffnet und seinen Händen nach kein Karatekämpfer.
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