Das Echo aller Furcht
Er ging nur die Straßen entlang, beguckte sich die Schweizer, glotzte zum Chef und seinem Freund hinüber und marschierte dann weiter. Ende.« Manchmal bereute Chavez seinen Entschluß, die Army verlassen zu haben. Dort hätte er inzwischen sein Diplom in der Tasche und wäre Offizier. Statt dessen büffelte er in einem Abendkurs und spielte tagsüber Ryans Kettenhund. Zum Glück war der Doc ein angenehmer Mann, und die Zusammenarbeit mit Clark war ... interessant. Aber wer für den Dienst arbeitete, führte ein seltsames Leben.
»Auf geht’s«, sagte Clark.
»Ich gehe voraus.« Ding tastete nach der Automatic unter seinem weiten Hemd. Die israelischen Leibwächter hatten sich schon in Bewegung gesetzt. Ghosn erwischte sie wie geplant, und zwar mit der unfreiwilligen Unterstützung der Schweizer. Ein älterer islamischer Geistlicher hatte den Unteroffizier der Streife angehalten, aber es gab Probleme mit der Verständigung; der Imam konnte kein Englisch, und mit dem Arabisch des Schweizers war es noch nicht weit her. Diese Gelegenheit ließ sich Ghosn nicht entgehen.
»Verzeihung«, sagte er zu dem Imam, »kann ich Ihnen behilflich sein?« Er nahm einen Wortschwall in seiner Muttersprache auf und wandte sich an den Soldaten.
»Der Imam ist aus Saudi-Arabien und war seit seiner Jugend nicht mehr in Jerusalem. Er möchte den Weg zum Gebäude der Troika wissen.«
Sowie der Feldwebel erkannte, daß er einen Geistlichen von hohem Rang vor sich hatte, setzte er den Helm ab und neigte respektvoll den Kopf. »Sagen Sie ihm bitte, es es ist uns eine Ehre, ihn zu begleiten.«
»Ah, da sind Sie!« rief eine andere Stimme in einem hart klingenden, aber eleganten Arabisch. Der Mann, offenbar ein Israeli, begrüßte den Feldwebel auf englisch.
»Guten Tag, Rabbi Ravenstein. Kennen Sie diesen Mann?« fragte der Soldat.
»Das ist der Imam Mohammed Al Faisal, ein angesehener Historiker aus Medina.«
»Geht es wirklich so reibungslos, wie ich hörte?« fragte Al Faisal den Rabbi.
»Ja, es funktioniert bestens«, erwiderte Ravenstein.
»Wie bitte?« fragte Ghosn dazwischen.
»Wer sind Sie?« wollte Ravenstein wissen.
»Ich bin Student und wollte nur dolmetschen.«
»Aha«, meinte Ravenstein. »Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen. Der Imam möchte sich ein Manuskript ansehen, das wir bei einer Ausgrabung gefunden haben. Es handelt sich um den Kommentar eines islamischen Gelehrten zu einer Tora aus dem zehnten Jahrhundert. Ein sensationeller Fund. Ich kümmere mich jetzt um unseren Gast«, sagte er zu dem Feldwebel und fügte an Ghosn gewandt hinzu: »Ich danke Ihnen, junger Mann.«
»Brauchen Sie eine Eskorte?« fragte der Soldat. »Wir gehen in diese Richtung.«
»Danke, aber wir sind zu alt, um mit Ihnen Schritt halten zu können.«
Der Feldwebel salutierte, verabschiedete sich und führte seine Männer weiter. Die wenigen Passanten, die die Begegnung miterlebt hatten, lächelten.
»Der Kommentar ist von Al Kalda und scheint sich auf die Werke des Nuchem von Akko zu beziehen«, erklärte Ravenstein. »Das Dokument ist unglaublich gut erhalten.«
»Dann muß ich es unbedingt sehen!« Die beiden Gelehrten gingen weiter, so schnell ihre alten Beine sie trugen, und hatten ihre Umgebung ganz vergessen.
Ghosns Miene blieb unverändert. Vor den Soldaten aus der Schweiz, die schon fast die nächste Querstraße erreicht hatten und einen Rattenschwanz kleiner Kinder hinter sich herzogen, hatte er sich bewußt liebenswürdig verhalten. Nun war er diszipliniert genug, um eine Ecke zu biegen und in einer engen Gasse zu verschwinden. Aber was er gesehen hatte, fand er katastrophal.
Mohammed Al Faisal, einer der fünf bedeutendsten islamischen Gelehrten, war ein hochgeachteter Historiker und Mitglied des Hauses Saud, eine Tatsache, die er bescheiden herunterspielte. Wäre er nicht fast achtzig gewesen, hätte man ihn wahrscheinlich in die regierende Troika berufen. Aber man hatte ihn auch übergangen, weil ein Gelehrter palästinensischer Abstammung politisch opportuner gewesen war. Sollte nun auch dieser Mann, der gewiß kein Freund Israels und der konservativen Vertreter der saudischen Geistlichkeit war, von dem Abkommen angetan sein?
Schlimmer noch war der Respekt, den die Schweizer ihm erwiesen hatten. Das allerschlimmste aber war, wie höflich der Rabbi zu ihm gewesen war. Die Leute auf der Straße, fast alle Palästinenser, hatten die Szene amüsiert mit angesehen und... toleriert? Fand die neue Regelung ihre
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