Das Echo aller Furcht
an?«
Bock schüttelte den Kopf. »Nichts, auch wenn mir Rache eine große Genugtuung wäre. Jetzt ist nicht die Zeit, private Rechnungen zu begleichen. Wir müssen eine Bewegung und ein Land retten.«Mehr als eines, dachte Bock, aber das braucht der Genosse noch nicht zu wissen. Was in seinen Gedanken Konturen annahm, war ein gewaltiger Schlag, ein atemberaubendes Manöver, das unter Umständen – er war vor sich selbst ehrlich genug, um nicht »ganz sicher« zu denken – die Welt formbarer machen könnte. Was danach käme, konnte niemand sagen. Aber das war ganz unwichtig. Entscheidend war, daß er und seine Freunde den ersten kühnen Schritt wagten.
»Wie lange kennen wir uns jetzt schon – fünfzehn, zwanzig Jahre?« Keitel lächelte. »Natürlich vertraue ich dir, Genosse.«
»Wie viele vertrauenswürdige Leute kennst du?«
»Wie viele brauchen wir denn?«
»Insgesamt acht.«
Keitels Miene wurde ausdruckslos. Acht Männer, denen wir uneingeschränkt vertrauen können? dachte er.
»Das sind aus Gründen der Sicherheit zu viele, Günther. Was für Leute sollen es denn sein?« fragte er und sagte, nachdem Bock geantwortet hatte: »Nun, ich weiß, wo ich ansetzen muß. Möglich wäre das ... Männer in meinem und ein paar in deinem Alter. Leute mit diesen Qualifikationen sind nicht schwer zu finden, aber du darfst nicht vergessen, daß es vieles gibt, worauf wir keinen Einfluß haben.«
»Wie meine Freunde anderswo sagen, liegt das in Allahs Hand«, meinte Günther und grinste süffisant.
»Barbaren!« schnaubte Keitel. »Die konnte ich noch nie ausstehen.«
»Stimmt, die gönnen einem noch nicht mal ein Bierchen.« Bock lächelte. »Aber sie sind stark, Erich, entschlossen und der Sache treu.«
»Und welche Sache wäre das?«
»Eine, die uns im Augenblick gemeinsam ist. Wie lange wirst du brauchen?«
»Zwei Wochen. Erreichen kannst du mich...«
»Kommt nicht in Frage.« Bock schüttelte den Kopf. »Das ist zu riskant. Kannst du reisen, wirst du observiert?«
»Mich observieren? Alle meine Untergebenen sind Wendehälse, und der BND weiß, daß der KGB nichts mit mir zu tun haben will. An mir wird kein Personal verschwendet. Ich bin sozusagen kastriert.«
»Mir kommst du ganz schön potent vor, Erwin«, meinte Bock und drückte dem ehemaligen Stasi-Offizier Geld in die Hand. »Treffen wir uns in zwei Wochen auf Zypern. Achte aber auf Beschatter.«
»Das habe ich noch nicht verlernt. Bis dann, Genosse.«
Fromm erwachte bei Tagesanbruch. Er zog sich gemächlich an und war bemüht, Traudl nicht zu wecken. In den letzten zwölf Stunden war sie eine angenehmere Partnerin gewesen als in den vergangenen zwölf Monaten, und sein Gewissen sagte ihm, daß die Schuld an ihrer annähernd gescheiterten Ehe vielleicht doch nicht nur bei ihr lag. Zu seiner Überraschung stand das Frühstück schon auf dem Tisch.
»Wann kommst du zurück?«
»Kann ich noch nicht sagen. In ein paar Monaten wahrscheinlich.«
»So lange willst du wegbleiben?«
»Schatz, ich muß verreisen, weil man mein Wissen braucht und mich gut bezahlt.« Er nahm sich vor, Kati um weitere Überweisungen zu bitten. Solange Geld einging, hielt sie still.
»Darf ich denn nicht mitkommen?« fragte Traudl und zeigte echte Zuneigung.
»Das ist kein Platz für Frauen.« Die Antwort war ehrlich genug, um seine Gewissensbisse zu mildern. »So, ich muß jetzt fort.«
»Komm bald wieder.«
Manfred Fromm gab seiner Frau einen Kuß und ging aus dem Haus. Der BMW verkraftete die 50 Kilo im Kofferraum locker. Er winkte Traudl noch einmal zu und fuhr los. Durch den Rückspiegel warf er einen letzten Blick auf das Haus. Seine Vermutung dabei, daß er es nic wiedersehen würde, sollte sich bewahrheiten.
Die nächste Station war das Astronomische Institut »Karl Marx«. Die eingeschossigen Gebäude sahen schon verwahrlost aus; ein Wunder, daß Vandalen die Scheiben noch nicht eingeschlagen hatten. Der Lkw wartete bereits. Fromm schloß die Werkstatt auf, wo die Maschinen in ihren hermetisch versiegelten Kisten mit der Aufschrift ASTROPHYSISCHE INSTRUMENTE standen. Nun mußte er nur noch die Formulare unterschreiben, die er am Nachmittag des Vortages getippt hatte. Der Lkw-Fahrer verstand sich auf die Bedienung des gasgetriebenen Gabelstaplers und lud die Kisten in den Container. Fromm holte die Batterien aus dem Kofferraum seines Mietwagens und packte sie in eine Holzkiste, die zuletzt aufgeladen wurde. Der Fahrer brauchte eine halbe Stunde, um
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