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Das Echo aller Furcht

Das Echo aller Furcht

Titel: Das Echo aller Furcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Ausblick auf den Parkplatz im Innenhof des Gebäudes. Das Zimmer war klein, und die Klimaanlage funktionierte nicht richtig, aber es war sein eigen. Es ist weithin kaum bekannt, daß Anwälte sich um Auftritte vor Gericht ebenso eifrig drücken wie Prahlhänse um Anlässe, bei denen sie ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen müssen. Hätte er die Angebote der großen New Yorker Anwaltsfirmen angenommen – man hatte ihm bis zu 100000 Dollar im Jahr offeriert -, wäre seine echte Funktion die eines Korrektors gewesen, eigentlich eines glorifizierten Sekretärs, der Verträge auf Tippfehler und Gesetzeslücken untersuchte. Wer beim Justizministerium anfing, hatte ähnliche Aufgaben. Bei einer richtigen Staatsanwaltschaft hätte er im Gerichtssaal bestehen oder untergehen müssen, hier in der Zentrale aber studierte er Akten und suchte nach Ungereimtheiten, Nuancen und Formfehlern; es war, als redigierte er das Manuskript eines besonders guten Krimiautors. Wellington begann sich Notizen zu machen.
    John Patrick Ryan. Stellvertretender Direktor der Central Intelligence Agency, nominiert vom Präsidenten und vor weniger als zwei Jahren vom Senat bestätigt. Fungierte zuvor nach dem Tod von Vizeadmiral James Greer als provisorischer Stellvertretender Direktor der analytischen Abteilung Intelligence. Davor war er Greers Assistent gewesen und hatte eine Zeitlang das Direktorat Intelligence in England vertreten. Ryan hatte an der Universität Georgetown studiert, an der Marineakademie Geschichte gelehrt und war bei der Filiale Baltimore von Merrill Lynch Börsenmakler gewesen. Ein Hubschrauberabsturz hatte seiner Dienstzeit beim Marinekorps ein rasches Ende gesetzt. Eindeutig ein Umsteiger, dachte Wellington und schrieb sich alle wichtigen Daten auf.
    Privatvermögen. Die erforderliche Offenlegung seiner Vermögensverhältnisse lag ziemlich weit oben. Ryan war allerhand wert. Wo kam das ganze Geld her? Für diese Analyse brauchte Wellington mehrere Stunden. An der Börse hatte J. P. Ryan ein großes Rad gedreht. Als die Chicago and North Western Railroad von der Belegschaft übernommen wurde, hatte er über 100 000 Dollar eingesetzt und mehr als sechs Millionen eingefahren. Das war sein einziger großer Coup gewesen – Chancen von sechzig zu eins boten sich nur selten –, aber auch einige andere waren beachtenswert. Mit einem Nettovermögen von acht Millionen Dollar hatte er bei Merrill Lynch aufgehört und war zurück nach Georgetown gegangen, um in Geschichte zu promovieren. Als Amateur – der er eigentlich nicht mehr war – spekulierte er weiter an der Börse, bis er in den Regierungsdienst trat. Inzwischen wurde sein Portefeuille von mehreren Anlageberatern verwaltet, die ungewöhnlich konservativ agierten. Sein Nettovermögen schien mittlerweile 20 Millionen oder etwas mehr zu betragen. Seine Konten wurden blind geführt, das heißt, daß er nur die Quartalsabrechnungen zu sehen bekam und nicht wußte, wie sein Geld angelegt worden war. Diese Vorschrift, die Interessenkonflikte ausschließen sollte, ließ sich natürlich umgehen, aber hier auf dem Papier war alles strikt legal. Ein Verstoß war praktisch nicht nachzuweisen – es sei denn, man zapfte die Leitungen seiner Anlageberater an, und die Genehmigung dazu bekam man nicht so leicht.
    Die Börsenaufsichtsbehörde SEC hatte gegen Ryan ermittelt, aber nur im Zuge eines Verfahrens gegen ein Unternehmen, an dem er sich beteiligt hatte. Das Resümee merkte in abgehackter Amtssprache an, eine Rechtsverletzung sei nicht nachzuweisen gewesen, aber Wellington gewann den Eindruck, daß die Sache nur der Form, nicht aber dem Inhalt nach in Ordnung gewesen war. Ryan hatte sich geweigert, eine Erklärung zu unterschreiben, derzufolge er sich der Unrechtmäßigkeit der Transaktion bewußt gewesen sei, und die Regierung hatte keinen weiteren Druck auf ihn ausgeübt. Das war nicht ganz verständlich, aber erklärbar, denn Ryan war nicht das eigentliche Ziel der Ermittlungen gewesen; offenbar war jemand zu dem Schluß gelangt, daß das Ganze wohl nur ein Zufall gewesen war. Ryan hatte das Geld allerdings aus seinem Portefeuille herausgenommen ... Gentlemen’s Agreement? schrieb Wellington auf seinen gelben Notizblock. Gut möglich. Wenn gefragt, mochte Ryan erklären, er hätte es aus übergroßen Skrupeln getan, um sein Gewissen zu erleichtern. Die Summe war in Pfandbriefen angelegt, die Zinsen reinvestiert worden und jahrelang unangetastet geblieben, bis das Geld

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